Kapitel 4 ; Dämmerwald
Die Morgensonne gewann langsam an Kraft und wärmte meine Schwingen. Froh endlich die Stadt hinter mir gelassen zu haben, genoss ich den Flug und träumte still vor mich her. Gegen Mittag gönnte ich mir, auf einer hohen Tanne, eine kurze Pause. Die Grenze zum Dämmerwald war nicht mehr weit entfernt.
In Gedanken versunken ließ sich den Wind mein Gefieder streicheln, ich nahm nochmals an Fluggeschwindigkeit auf. Nach einer Weile erspähten meine Rabenaugen bereits die Lichtung, in der meine Hütte stand. Ich hing weiter meinen Gedanken nach und bemerkte so zu spät, das sich zu tief und zu schnell flog. Die Bohlen meiner Hüttenwand näherten sich rasant, die Details des Holzes und die feine Maserung waren zu schnell zu gut zu erkennen.
„Bruchlaaandunuung…“krächzte ich noch und versuchte meine Fluggeschwindigkeit und Höhe weiter zu drosseln (dass ich in die Hüttenwand krachen würde, war unvermeidbar, aber dann sollte es zumindest etwas langsamer und nicht allzu hoch über dem Waldboden sein……) ich schloss meine Rabenaugen und ergab mich dem Schicksal.
Kurz darauf krachte und rumpelte es schrecklich, der Aufprall tat verdammt weh. Hustend und stöhnend, laut nießend und Gestaltwandelnd rappelte ich mich auf und…
blickte direkt in Arthagans grinsendes Gesicht.
Auch das noch…als ob die unglückliche Landung nicht peinlich genug gewesen wäre, hatte ich nun auch noch einen Zeugen für meine Unaufmerksamkeit und das daraus resultierende Missgeschick. (sicherlich würde mir der Junge dies noch Jahrelang vorhalten…)
„Ich grüße dich Llew… wir haben dich nicht so früh zurückerwartet und ähem ganz sicherlich nicht so du bist wirklich mit der Tür ins Haus gefallen oder soll ich sagen mit dem Schnabel in die Bohlen…?
„Ich grüße dich auch Arthagan…“ murmelte ich beschämt und klopfte mir den Staub aus der Robe. Langsam…sehr langsam hob ich knurrend meinen Kopf und funkelte den frechen Jungen an. Die Zeit in der sich unsere Blicke trafen und sich miteinander maßen war schier endlos… bis wir beide in lautes Gelächter ausbrachen.
„Verdammt ich habe bestimmt einige blaue Flecken…, und wie geht es dir Arthagan?“
Ich musterte den Jungen von Kopf bis Fuß und bemerkte einen ungesunden Glanz in seinen Augen. Als ich die Stirn des Jungen berührte (was er nach einigem Protest zu lies) war ich mir sicher, dass er Fieber hatte. „Seit wann hast du Fieber Junge…“knurrte ich besorgt. Arthagan zuckte mit den Schultern, „Seit heute früh …glaube ich… aber…“ entgegnete er leise. „Kein aber Junge… du legst dich sofort hin und rührst dich nicht vom Lager. Ich bin gleich bei dir…“ verlangte ich schroffer als gewollt. Ohne ein Widerwort und mit gesenkten Blick trottete er schuldbewusst in seine Kammer.
Ich betrat unseren Koch-und Essraum. (ich hatte den Jungen mit meinem. ähm… Eintreffen überrascht als er am Feuerholz hacken war). Eine der metallenen Phiolen welche mir Dhwetan gab, schob ich in die Glut. Der Inhalt das ‘Feenblut‘, würde so schnell die Ideale Temperatur annehmen, Wenige Minuten später stand ich mit einem Holzlöffel in der einen und mit der, etwas abgekühlten Phiole (ich wollte mir ja schließlich nicht die Pfoten… ich meine Finger verbrennen) an Arthagans Lager.
„Feenblut…und nun runter damit…ich will dich nicht zwingen müssen“ antwortete ich knapp. Anscheinend waren meine funkelnden Augen Grund genug nicht zu wiedersprechen, denn zu meinem Erstaunen öffnete er den Mund und schluckte das Zeug ohne Gegenwehr oder Widerworte. Den Becher Wasser welcher ich ihm zum Nachspülen reichte nahm dankbar entgegen und leere ihn in einem Zug. „Einfach widerlich…der Geschmack ähnelt irgendwie. war, ist es wirklich Blut?“
Nun war ich daran zu Grinsen, denn die Miene des Jungen zeigte eine breite Palette an den unterschiedlichsten Regungen. „Nein… nun ja zumindest nicht nur…“ Scherzte ich und konnte das Lachen nicht vermeiden, als mich der Junge ungläubig anstarrte und leise stöhnte…“
„Dhwetan nennt es gerne ‘Feenblut‘ aber es ist ein Erzeugnis aus verschiedensten Pflanzenessenzen und Erlenharz, das genaue Rezept kennen lediglich einige Erzdruiden. So schrecklich wie es schmeckt, so gut hilft es auch…aber du solltest nun etwas schlafen, denn wie Dhwetan auch sagt, und da hat er recht, führt der Schlaf zur besten Heilung…“ „Ich…Ich bin aber nicht müde, ich muss noch Holz hacken und… da fällt mir ein was ist mit den Vorräten…“ entgegnete Arthagan trotzig und wollte sich aufsetzen.
„Noch bist du vielleicht nicht müde, aber du wirst es gleich sein… und was die Vorräte betreffen, die bringt Sar Altaru her. Er wird in ein bis Zwei Tagen hier sein…“ antwortete ich und zog die Decke bis zum Kinn des Jungen hoch.
Ich kannte die Wirkung des ‘Feenblutes‘ und wusste aus eigener Erfahrung, dass man kurz nach der Einnahme sehr müde wurde und nichts lieber als schlafen wollte. Auch bei Arthagan ließ dies nicht lange auf sich warten. Schon nach wenigen Augenblicken gähnte er herzhaft, „Sar Altaru kkkommt hhher, zzzu mir?“ fragte er mit schwerer Zunge, doch ehe ich ihm dies bestätigen konnte gab er bereits ein leises Schnarchen von sich.
Nachdem ich mich versicherte, dass der Junge fest schlief (und dass es die nächsten Stunden auch so bleiben würde), entschloss ich mich mit Swar und Croy einen langen gemütlichen Spaziergang zu machen. Obwohl ich nur wenige Tage in der Stadt war, so schien es mir doch unendlich lange, (und ich brauchte dringend Erholung von dem Stadtleben).
Da es bereits kühler wurde, die zweite Hälfte des Nachtmittages war angebrochen, machte ich mit meinen beiden Begleitern noch einen Abstecher in den Sumpf. Ich wollte mich noch nach einigen Blutegeln umsehen, und sie dem Jungen, möglichst wenn er noch schliefe auflegen.(Zugegeben mein Plan war etwas hinterhältig und gemein, aber sicherlich für ihn angenehmer als wenn er wach sein würde.)
Ich entdeckte einige diese possierlichen Tierchen und flocht aus Schilfrohren und Blätter ein kleines Gefäß um sie zu transportieren.
Als ich mit meiner Beute in die Hütte Trat, empfing mich Arthagans leises schnarchen, also schlich ich mich in seine Schlafkammer, streifte ihm behutsam Wams und Beinkleid ab und legte die Egel auf. Nach einiger Zeit, die Tierchen taten gewissenhaft ihre Pflicht, drang ein leise murmeln und fluchen an meine Ohren. Das meiste konnte ich nicht verstehen, doch irgendwas von ‘gemeiner Druide und verdammtes Gezwacke‘ hörte ich dennoch heraus.
Ohne Zweifel erwachte Arthagan langsam aus seinem Schlummer. Ich legte ihm ein neues kühlendes Kräutertuch auf seine Stirn und bedeckte damit auch seine Augen, die saugenden Blutegel sollte er nicht im verschlafenen Zustand entdecken.
„Wie geht es dir Arthagan?“ fragte ich als er erneut ein Gebrabbel von sich gab. Langsam wachte seine Zunge auch auf, so dass ich ihn verstehen konnte.
„Als ob ich ausgesaugt würde… Ich vermute die kleinen Freunde sind Beschäftigt…Du kannst mir übrigens diese ähm Augenbinde abnehmen Llew, ich werde ihren Anblick ertragen ohne gleich in Ohnmacht zu fallen“. Obwohl mich die Gelassenheit des Jungen etwas Überraschte, folgte ich seiner Bitte und schob das Kräutertuch höher.
Nachdenklich und irgendwie interessiert und dennoch mit einem leichten Ekel im Gesicht, beobachtete er die Blutegel einige Minuten still. „Weißt du Llew… es ist eigentlich recht unangenehm ausgesaugt zu werden, es zwickt und brennt, tut weh und nun ja. besonders hübsch sehen sie auch nicht aus. Überdies fühle ich mich danach so schrecklich ausgelaugt und schwach…
Aber sie helfen mir das Gift loszuwerden dafür verdienen sie Respekt und ich bin ihnen sehr dankbar… zudem müssen sie auch etwas essen und wenn ihnen mein verseuchtes Blut schmeckt nun ja…Da fällt mir ein Llew. ich bin verdammt hungrig, mein Magenknurren weckt die Toten… kann ich vielleicht etwas von deinem Brot bekommen, und möglicherweise auch etwas Tee oder Suppe?“
Ich lächelte dem immer hungrigen Jüngling zu. „Brot kannst du bekommen, Tee auch, was die Suppe betrifft…. Nun ja was hältst du von einem kräftigen Eintopf?“
Ich war selbst etwas hungrig von meinem Marsch. Arthagan nickte begeistert und leckte sich die Lippen.
„Ruf mich bitte, wenn die Tierchen auf Entdeckungsreise kriechen wollen, ich sammle sie dann ab und bringe sie später in den Sumpf zurück. Solange sie noch saugen, kümmere ich mich um unseren Eintopf.“
„Ich danke dir für alles Llew, ich stehe tief in deiner Schuld“.
„Versuch einfach gesund zu werden Arthagan, das ist Dank genug…“
Ich holte die benötigten Zutaten aus der Vorratskammer, weichte das Trockenfleisch ein und begann Wildwurzeln zu schälen und schneiden. Die Arbeit in meinen eigenen vier Wände bereitete mir Freude und so pfiff und trällerte ich leise einige Melodien. Als sich der junge meldete, dass einige der Egel nun satt seinen, und auf ihm herumkrochen, sammelte ich sie wieder ein, und deckte das Gefäß ab. Die Helferlein würden etwas später ihre Freiheit wiederbekommen.
Da Arthagan sich nun etwas geschwächt aber besser fühlte, wollte er mir bei den Essensvorbereitungen helfen. Ich verbot es ihm jedoch strickt, doch als meine Worte allein ihn nicht ans Lager binden konnten, lies ich einige Ranken diese Aufgabe übernehmen. Einige leise Worte genügten damit dünne Schlingpflanzen aus der Erde schossen. Der Boden meiner Hütte war naturbelassen, und bestand aus festgetretener Erde, (ungewöhnlich?… vielleicht aber ich mochte es so auch wenn ich manchmal mitten im Wohnzimmer Unkraut jäten musste). Arthagan fluchte leise als sich die Ranken um seine Beine und Unterkörper legten und ihn (im wahrsten Sinne des Wortes) ans Bett fesselten.
„Tja lieber Junge … ärgere nie einen Druiden, auch wenn seine Fähigkeiten gering sind. Da fällt mir ein Arthagan, wenn Dhwetan dich anweist liegen zu bleiben, auch wenn es Tage sind und er dich nur kurz austreten lässt, widersprich ihm nicht, denn er hat noch ganz andere Möglichkeiten seinen Willen durchzusetzen als nur ein paar Ranken. Glaub mir… die möchtest du wirklich nicht kennenlernen…“ grinste ich. (Ich übertrieb nicht, denn der Erzdruide kannte so einige Arten von Bewegungsbann, und auch anderes Zeug um einen vom Aufstehen zu hindern…Vieles davon durfte ich am eigenen Leib ausbaden).
„Wann wird der Erzdruide eintreffen?“ In der Frage des Jungen mischten sich scheu, Angst Unsicherheit aber auch Hoffnung gleichermaßen. „In ungefähr einem Viertel Mond wird er hier sein. Sar Altaru wird voraussichtlich morgen Nachmittag / Abend mit den Vorräten eintreffen. Wenn er hier ist, wird er mir hoffentlich beim Anbau helfen, ich möchte mindestens einen Raum fertig zu haben bevor mein Meister eintrifft.
Doch nun kümmere ich mich weiter um unser essen. Du lässt es schön sein gegen die Ranken anzukämpfen, und bleibst ruhig liegen. Um die Zeit sinnvoll zu vertreiben, lernst du diese Seite auswendig. Ich frage dich später zu den beiden beschriebenen Heilkräutern ab.“ schmunzelnd legte ich ihm ein aufgeschlagenes Kräuterlexikon in die Hände.
„Ich dachte, du möchtest, dass dir jemand die Grundlagen der Heilkunst beibringt… oder hast du deine Meinung geändert?“
Arthagan musterte mich ungläubig und schüttelte verneinend den Kopf.
„Ich werde fleißig sein Llew…“
„Da bin ich mir sicher, und wir werden auch noch länger Zeit haben dir das eine oder andere einzutrichtern. Sar Altaru wünscht, dass du solange deine Gesundung benötigt hier bei mir bleibst…
Also Arthagan, nach dem Abendessen nehme ich dir das Buch wieder weg. Während ich dann zum Sumpf gehe und die Blutegel freizulassen, zeichnest du mir die beiden Kräuter auswendig auf. Nach meiner Rückkehr beschreibst du mir dann ihre Eigenschaften, Verwendungsmöglichkeiten und wo man sie finden kann.“
Ich ließ den Jungen mit seiner Lektüre alleine und machte mich gemächlich an die weiteren Vorbereitungen zum Abendessen. Während der Eintopf vor sich hin köchelte, schleppte ich eine meiner Reisekisten an Arthagans Lager, und funktionierte sie zu einem Tisch um und stellte auch einen Stuhl für mich daneben. Erst als ich den Duftenden Eintopf auf den provisorischen Tisch stellte, und zwei Gedecke auflegte, blickte Arthagan von Buch auf. Seine Augen leuchteten vor Wissensdurst. Widerwillig händigte er mir das Buch nach dem Essen wieder aus. Als ich die Hütte, zu meinem abendlichen Sumpfspaziergang (und zur Freilassung der in der Schale eingesperrten Blutegeln) verlies, kritzelte und zeichnete er bereits fleißig auf den Papierbögen die ich ihm zur Verfügung stellte herum.
Ich war überzeugt, dass sich Arthagan zu einem gelehrigen Schüler entwickeln würde, und war auch dankbar das Dhwetan mir erlaubte ihn in die Grundlagen der druidischen Heilkunst einzuführen. Auch wenn aus dem Jungen natürlich nie ein Druide werden könnte
(dazu fehlten ihm gewisse Anlagen), würde er dennoch das Wissen erwerben können, dass ihm ermöglichte einem Druiden zur Hand zu gehen. Ich vermutete, dass auch Dhwetan seinem Ilaidir Galdraen, dieses Wissen und Grundlagen beibringt oder bereits beigebracht hat.
Einige der halbfertigen Zeichnungen lagen zerknüllt auf der Erde. Ich hob einige der Papierknäuel auf und strich sie glatt, die Versuche des Jungen ließen mich schmunzeln, (mit den Kräutern hatten sie nicht viel gemein, aber bestimmt würde ein Liebhaber abstrakter Kunst horrende Summen dafür bezahlen). Für Swar und Croy waren die kleinen Bällchen ein Quell der Freude, beide spielten ausgelassen mit ihnen.
Ich setzte mich neben Arthagan und gab ihm eigne Zeichnungstipps die er auch versuchte umzusetzen, die nächsten Versuche gelangen ihm besser (zumindest konnte man das Gekritzel als Kräuter durchgehen lassen). Ich überlies die drei noch etwas ihrem, Schicksal und räumte die Kochutensilien weg und spülte unsere Teller. Als ich fertig war, bat ich den Jungen um das Zeichenbrett und malte einige Korrekturen in seine Zeichnungen. Morgen übst du weiter doch nun will ich hören was sonst hängengeblieben ist, beschreibe mir also die Kräuter, ihr aussehen, ihre Wirkungsweise und wo wir sie finden könnten.“ bat ich und lauschte seinen Erklärungen.
Ich war sehr zufrieden, er ließ kaum wichtiges aus. „Sehr gut…du hast dir wirklich eine Belohnung verdient…“ schmunzelte ich und führte ihm einen Löffel, halb gefüllt mit Dhwetans ‘Feenblut‘ an seine Lippen. Arthagan verdrehte stöhnend die Augen ehe er den dickflüssigen Sirup schluckte. „Morgen Abend bekommst du die andere Hälfte der Phiole, ich denke das wird dich wieder einigermaßen auf die Beine bringen, aber nun wird geschlafen.“ Bestimmte ich und löschte die kleine Öllampe. Die Wirkung des ‘Feenblutes‘ schien bereits einzusetzen, denn statt Widerworte zu äußern gähnte der Junge laut. Kurz darauf erschütterte sein Schnarchen unser kleines Heim.
Als die Sonne aufging schickte ich Croy los um Sar Altaru zu suchen und ihn zur Hütte zu geleiten. Mit lauten krächzen gab er seinen Unmut bekannt, er hatte keine Lust (die hatte der Rabe nie) meinen Befehlen zu folgen und für mich zu arbeiten. Doch eine Schale eigeweichter Beeren, die ich ihm als Bezahlung anbot taten ihre Schuldigkeit. Croy verputzte die Hälfte der Beeren gleich. So zufrieden und gesättigt flog er los. Ich beobachtete den Raben wie er im aufgehenden Sonnenlicht eintauchte und aus meinen Augen verschwand. Zumindest stimmte seine Flugrichtung und wen er sie hielt würde er ungefähr in einem Stunden auf den Draenei treffen.
Als ich mit einem Eimer frischen Quellwassers an Arthagans Kammer vorbeiging, hörte ich leises rascheln und seufzen aus ihr.
Besorgt schob ich das Leinentuch welches seine Kammer abtrennte etwas beiseite und spähte hinein. Arthagan rief mir einen freundlichen Morgengruß zu. Er war dabei sich aus den Laken zu schälen. Ich schüttete ihm etwas Wasser in die Waschschüssel, den Rest schleppte ich in den Koch Raum und setzte Tee auf.
„Geht es dir etwas besser?“, erkundigte ich besorgt als mein Gast zu mir humpelte und sich, noch halb verschlafen, auf einen der Stühle setze. Arthagan nickte stumm hielt sich aber den Kopf dabei und stöhnte leise.
„Kopfschmerzen…?“ wiederum nickte der Junge schweigend. „Das liegt an Dhwetans ‘Feenblut‘, leider haben nicht selten auch die besten Mittel ungewünschte Nebenwirkungen, iss etwas dann wird dein Kopf leichter…“ Das geschmierte Honigbrot nahm er dankbar entgegen und biss genüsslich hinein. Nach wenigen Bissen und einigen schlucken Minztee, kehrte seine natürliche Gesichtsfarbe langsam zurück. Verwundert gestand er, dass die Kopfschmerz nun verschwunden sei und er sich gut fühlte, auch wenn sein Bein noch pochte. Die Zweite Scheibe Brot und die Schale Haferbrei, verschlang er mit gewohnten Appetit. Als er s ein Frühstück beendet hatte, reichte ich ihm eines der Wurzelstückchen, dass er missmutig beäugte aber schlussendlich widerwillig mit leisem Gefluche und verzerrter Miene auskaute.
„Das Zeug des Erzdruiden schmeckt schrecklich… noch schrecklicher als dein Gebräu Llew…“ knurrte er. Ich gab ihm nur zu gern Recht, aber betonte auch die Wirkungsweise der Mittel meines Meisters. (Seine kleinen Phiolen und Pflanzenessenzen wirkten oftmals wahre Wunder.) Worauf mir Arthagan recht gab, so stand es eins zu eins zwischen uns.
„Ich war froh, dass es ihm nun besserging. Das Fieber war verschwunden, seine Gesichtsfarbe zurückgekehrt und offenbar hatte er kaum oder keine Schmerzen mehr. Doch leider, wie ich es wusste, lag dies letztendlich an den Wurzelstückchen welche er morgens und abends kauen musste.
Dies ‘Wunderwurzel‘ wurde, in der alten Elfensprache ‚‘Gwaedh‘ genannt und war auch als ‘Gora‘ bekannt (ich fand nach einigem Suchen Abbildung und Beschreibung in einen meiner Bücher)
‘Gora‘ war ein überaus starkes Schmerzmittel, und auch die Wurzel einer sehr seltenen Pflanze, die an den sonnigen Steilhängen des Hyial-Gebietes wuchs. Sie durfte nicht länger als einen halben Mond gegeben werde, da sonst die Gefahr der Abhängigkeit bestand. Außer Schmerzen zu tilgen, gaukelte sie auch vor, das alles in bester Ordnung sei und zapfte dafür die körpereigenen Reserven an. Außer Abhängigkeit drohte bei übermäßig langer Einnahme somit auch der komplette Zusammenbruch von Körper und Geist. In einigen Quellen wurde sie deswegen auch als ‘Teufels Wurz‘ bezeichnet.
Dennoch vertraute ich den Anweisungen meines Meisters. Auch sah ich keine Möglichkeit es Arthagan bis zu Dhwetans eintreffen angenehmer und leichter zu machen. Ich beneidete den Jungen nicht, denn die Behandlungsmethoden des Erzdruiden waren zwar meist erfolgreich jedoch nicht selten langwierig und schmerzhaft.
Ich ließ den Jungen einige Minuten auf der Wurzel herumkauen und reichte ihm dann einen Becher Wasser um die Reste nachzuspülen.
„Du bleibst noch etwas sitzen, die Wirkung müsste bald einsetzen. Wenn du dich dann gut genug fühlst, könnte ich etwas Hilfe beim Einzäunen der Wiese brauchen. Ich möchte unsere zukünftigen Tiergefährten nicht jeden Morgen im Dämmerwald suchen müssen“.
Als ich den Frühstückstischabräumen wollte, hinderte mich Arthagan daran. „Ich mach das schon Llew, und anschließend komme ich raus und helfe beim Zaunbau. Das Pochen in meinem Bein hat aufgehört, ich fühle mich gut genug um dir zu helfen mein Freund. Aber von was für Tiere sprichst du?“ strahlte der Junge, froh die Schmerzen vorübergehend los zu sein.
„Ich habe zwei Ziegen und einige Hühner gekauft…außerdem… (ich biss mir auf die Zunge und jaulte leise. Beinahe hätte ich die Überraschung des Draenei ausgeplaudert.) …für den Elekk welcher den Wagen zieht…“ rettete ich mich.
„Sar Altaru wird voraussichtlich am Nachmittag eintreffen. Er bringt die Tiere und auch die Vorräte mit. Aber in erster Linie will er sich überzeugen, dass es dir gut geht Arthagan, und auch mit dir über deine Zukunft sprechen. Er hat dich für Tod oder schlimmeres gehalten.“
„Ich freue mich sehr meinen Paladin zu sehen…. ich hoffe er verzeiht mir…“ „Es gibt nichts, dass er verzeihen müsste, das was geschah war ganz sicher nicht deine Schuld. Dass du das Massaker als Einziger, überlebt hast, hat einen höheren Sinn, auch wenn du es dir nicht klar ist…“beruhigte ich den Jungen und machte mich an die Arbeit
Ich war gerade dabei eine schlanke Birke zu fällen (auch wenn es mir zuwider war Bäume töten, benötigte ich dennoch ihr Holz um den Zaum zu bauen), als Arthagan in Swars Begleitung auf die Lichtung trat. Auch der Junge hatte eine Axt dabei, mit ihr schlug er, sobald der junge Baum am Boden lag, die Äste ab. Der schlanke Stamm der Birke eignete sich hervorragend um Zaumpfähle zurecht zu schneiden, die geraden Äste würden wir als Planken verwenden und den Rest des Baumes würde im Winter unser Zuhause wärmen.
Da es noch nicht allzu warm war, ging uns die Arbeit relativ leicht von der Hand. Gegen Mittag machten wir eine kleine Pause und aßen die geschmierten Brote welche Arthagan vorausschauend mittgebracht hatte.
Als der Großteil des Zaumes bereits fertiggestellt, und der spätere Nachmittag angebrochen war, drang das leise Quietschen von schweren Wagenrädern, und bald darauf das laute Krächzen eines Raben an meine scharfen Ohren.
„Sie sind gleich da…“ Lächelte ich Arthagan zu. Kaum ausgesprochen rollte der schwere Wagen bereits in unser Blickfeld. Croy hockte, stolz wie der junge König, auf dem Schädel des Elekkbullen (was ihn nicht zu stören schien) und krächzte aus vollem Halse. Als der Paladin den Wagen zum Stehen brachte, flog der Rabenkönig von seinem Thron um auf meinen Schultern zu laden. Fordernd zerrte er an meinen Haaren, unbarmherzig forderte er so den Rest seiner Belohnung ein. Croy wollte nun endlich seine Beeren haben. Ich entschuldigte mich nach kurzer Begrüßung um dem Störenfried die Schüssel auszuhändigen.
Als ich nun wieder aus meiner Hütte trat, nahm ich mir die Zeit für eine ordentliche Begrüßung. Ich wunderte mich, dass ich Arthagan auf den ersten Blick nicht entdeckte. Er stand neben dem Wagen, unterhielt sich mit seinem Paladin und leibkoste Valashu, den alten Pechschwarzen Schlachtenhengst seines verstorbenen Vaters. Als ich nähertrat, bemerkte ich das Glitzern in Arthagans Augen und seine feuchten Wangen.
„Ich denke wir sollten die beiden etwas alleine lassen, meinst du nicht auch Llew…“ drang Sar Altarus warme Stimme an mein Ohr. Ich nickte schweigend und führte den Paladin in mein beschiedenes Heim.
Ich bot dem alten, weisen, Draenei einen Stuhl, etwas Tee, Früchtebrot und Honig an. Croy saß in seinem Eck und pickte schweigend in seiner Beerenschale herum. Nach einer Weile brach Altaru die Stille.
“Llew, du sagtest mir, dass es dem Jungen nicht gut gehe…“ „Ja das ist leider so Sar Altaru, auch wenn es Momentan nicht den Anschein macht. Was ihr seht ist Dhwetans Werk…“ seufzend schob ich den Beutel mit den Wurzelstückchen über den Tisch. Ich war überzeugt, dass dieses Hilfsmittel dem Draenei nicht fremd war. Altaru langte in den Beutel, nahm eines der Stückchen heraus und roch daran. Schweigend und mit besorgtem Gesichtsausdruck lege er es Ehrfürchtig zurück.
„Gora also…wie viele pro Tag?“ erkundigte er sich bedrückt. Offenbar stimmte meine Vermutung und der Paladin kannte die Wirkung dieser Wurzel.
„Zwei… morgens und abends je eine., Sar Altaru“ antwortete ich wahrheitsgemäß.
„Dann geht es Arthagan wirklich nicht gut. Dennoch vertraue ich deinem Meister Llew. Ich bin überzeugt das Dhwetan ihm helfen kann. Lass den Kopf nicht hängen junger Freund. Ich kenne meinen Knappen, Arthagan ist stark…. Außerdem Llew, vergiss bitte meinen Titel. Ich bin als Freund hier und nicht als Paladin des Königs, außerdem bin ich für deine Gastfreundschaft, und die Zeit welche ich hier sein darf dankbar, also nenne mich einfach Altaru und behalte dies bitte auch für die Zukunft bei.“ munterte mich der Draenei auf. Ich schlug in seine ausgestreckte Hand ein.
„Wir sollten den Wagen abladen, die Tiere freuen sich bestimmt auf ihre Wiesenfreiheit. Der Zaum ist gut gebaut und stabil, selbst Rakek wird die Beschränkung akzeptieren, außerdem ist mein Elekk sehr verfressen, das junge Gras wird ihm schmecken.“ Lächelte der Paladin und erhob sich elegant vom Stuhl.
Ich stimmte ihm zu, und als ich ebenfalls stand umarmte mich das kräftige Wesen. Mir bleib schier die Luft weg, doch die Umarmung war jene eines langjährigen Freundes voller Verständnis und Mittgefühl. Ich spürte wie meine Augen feucht wurden und ich hörte mich leise schluchzen, mit den Tränen viel auch eine Last von meinen Schultern und Hoffnung keimte in mir auf.
Ich murmelte eine Entschuldigung bezüglich meines etwas unangebrachten Gefühlsausbruch. „Es gibt nichts zu entschuldigen mein Freund, deine Sorgen um Arthagan sind auch die meinen, aber dennoch bin ich mir sicher, dass es gut für ihn ausgehen wird…“ beruhigte Altaru mich und verstärkte seine Umarmung nochmals. Seine Gegenwart tat mir in einer Seele gut, seine unerschütterliche Überzeugung und vertrauen zu Dhwetan sprang zu mir über. Das erste Mal seit längerer Zeit konnte ich frei und unbeschwert lächeln.
Als ich mit Altaru ins Freie trat, traute ich meinen Augen kaum. Der Zaun war fertiggestellt, nur an der Stelle wo das Tor sein sollte verschlossen provisorisch gespannte Seile den Eingang. Entweder waren Arthagan mehre Arme gewachsen, oder er hatte unsichtbare Helfer oder aber ich war länger als geplant mit Altaru in der Hütte. Nach einem flüchtigen Blick gegen den Himmel bestätigte sich letztere Tatsache, es war bereits späterer Nachmittag.
„Das Holz hat leider nicht gereicht Llew, und ich wollte nicht irgendwelche Bäume fällen, denn ich weiß wie sehr du an den Gewächsen hängest, daher habe ich die Seile von Sar Altarus Wagen genommen.“ erklärte er gutgelaunt.
Arthagan stand auf der Wiese und widmete sich der Fellpflege des schwarzen Hengstes. Auch die anderen Tiere, also die Ziegen, Hühner und selbst der Elekkbulle genossen ihre Wiesenfreiheit. Swar lag zu Füssen des Jungen und beäugte die Hühner und Ziegen, ich würde mit dem Wolf wohl doch noch ein Wort unter gleichen wechseln müssen, damit er die Tiere nicht als leichte Beute ansah. Croy stolzierte zwischen den Hühnern umher und ärgerte sie etwas. Sicherlich wollte er nur klarstellen, dass er der einzige geflügelte Herrscher war. Ich näherte mich Arthagan und umarmte ihn zum Dank für seine Arbeit, dabei spürte ich ein leichtes zittern seines Körpers. Er war müde, wollte es aber sich nicht eingestehen. Erschöpfung und Schmerz las ich in seinem Gesicht, offensichtlich ließ die Wirkung der Gora-wurzel langsam nach.
„Leg dich hin Junge, meinetwegen kannst du dich im Zeichnen üben, aber dein Körper braucht Ruhe, du brauchst Ruhe Arthagan.“ „Aber Llew, die Vorräte liegen noch auf dem Wagen, ich wollte euer Gespräch nicht stören…und außerdem gibt es noch so viel zu tun. Der Erzdruide braucht ein eigenes Zimmer, wenn er kommt, und die Tiere einen Unterstand und…“ widersprach Arthagan trotzig. Ich schüttelte den Kopf, “dass mag ja alles sein mein Freund, aber dafür zu sorgen ist weder deine Aufgabe noch der richtige Zeitpunkt für dich. Schau dich an, dein Körper ist erschöpft, du zitterst bereits, allein das Stehen kostet dir alle Reserven die du im Moment noch hast…“
„Kein aber Knappe Arthagan, du tust was der Druide dir sagt, und du tust es, weil ich es dir als dein Paladin befehle, sind wir uns da einig Junge?“ schaltete sich der Draenei ein und streckte fordernd seine Hand aus.
Seine Stimme klang ruhig und gelassen doch seine Worte und Geste duldete nicht den geringsten Widerstand. Die Augen der Draenei musterten den Knappen von Kopf bis Fuß. Mit gesenkten Blick legte Arthagan Striegel und Bürste in Altarus Hände und humpelte schuldbewusst zum Hütteneingang. Ich schaute ihm nach, so demütig hatte ich ihn noch nie erlebt. Gleichzeitig stieg meine Achtung vor dem alten Draenei, dem es so leicht gelang jemanden ohne Geschimpfe und Geschrei in seine Schranken zu verweisen.
„Wenn du erstmal so alt bist wie ich Llew, wirst du vieles verstehen und erkennen, dass man mit Ruhe und Gelassenheit oft vielmehr erreicht als mit Drohungen und Gefluche…Komm lass uns die Vorräte abladen.“ lächelte Altaru und schnappte sich einen der Getreidesäcke. Auch ich nahm mir einen der Säcke und schleppte ihn in die Vorratskammer. Da ich mehrmals an Arthagans Schlafkammer vorbei kam und er den Leinenstoff nicht vorgezogen hatte, sah ich, dass er wie ihm befohlen auf seinem Bett lag, das Zeichenbrett neben sich und übte.
Als der Wagen abgeladen war, zog ich ihn mit Altaru gemeinsam auf einen ebenen Platz hinter der Hütte. Ich verkeilte die Räder mit einigen Holzscheiten. Der Paladin errichtete mit einigen Stangen und Planen kurzerhand ein Zeltähnlichen Aufbau auf der Ladefläche. „Meine Unterkunft…“ lächelte er entrollte eine Schlafmatte und funktionierte einige leere Kisten kurzerhand zu Sitzgelegenheiten um. „Trocken und gemütlich…“ kommentierte er sein Werk. Auch ich musste grinsen, der Paladin hatte wirklich an alles gedacht.
Ein erneuter Blick gegen den Himmel zeigte mir, dass die Sonne bald untergehen würde. Auch spürte ich ein leichtes Hungergefühl aufkommen. So schlug ich vor, mich um unser Abendessen zu kümmern. „Dann werde ich die Zeit nutzen und mich etwas mit meinem Knappen unterhalten…“ entgegnete Altaru als wir gemeinsam in die Hütte schlurften.
Nach dem gemeinsamen Abendessen bestand Altaru darauf den Kochraum aufzuräumen und das Geschirr zu spülen. Ich zitierte Arthagan erneut auf sein Lager und widmete mich seiner Ausbildung. Sein Gekritzel wurden immer besser und genauer, obwohl sie noch weit von den Abbildungen in meinen Büchern und auch meinen eigenen Zeichnungen entfernt waren, konnte man bereits die Kräuterart erkennen die er darstellen wollte.
Schweigend tauschte er das Zeichenbrett gegen das Stück Gora Wurzel welches ich ihm entgegenhielt. Auch an das lauwarme ‘Feenblut‘ gewöhnte er sich allmählich. Auch wenn er nur noch ein Viertel einer Phiole bekam, schenkte ihm die geringe Menge doch einen ruhigen und erholsamen Schlaf.
Ich streifte mir den Umhang über, verlies leise die Hütte und schlenderte zum See. Swar folgte mir auf den Fuß. Ich wunderte mich als sich durch das Licht des Mondes, eine am Seeufer sitzende Siluette abzeichnete. Beim Näherkommen erkannte ich den Draenei.
Altaru saß schweigend im Gras und starrte auf den stillen See, ich lies mich neben ihm nieder und folgte seinem Beispiel. Eine Weile betrachteten wir die ruhige Wasseroberfläche erfreuten uns an dem leichten Kräuseln, wenn ein Fisch nach einem Insekt schnappte und lauschten dem leisen Lied des Windes welches zwischen den Baumwipfeln erklang. „Wunderschön… ich kann nun verstehen weshalb du den Trubel der Stadt gegen all das hier getauscht hast, Llew…“seufzte Altaru.
Es war weit nach Mitternacht als der Paladin sich im Wagenaufbau, und ich mich in meiner Kammer zur Ruhe legten
Die folgenden Tage verliefen ähnlich. Nicht zuletzt durch die tatkräftige Mitthilfe des kräftigen Draenei, nahm das Bauvorhaben rasch Gestalt an. Er und sein Elekk waren eine große Hilfe um gefällte Bäume aus dem Wald auf die Lichtung zu ziehen. Durch die Hilfe des ‘Feenblutes‘ und der Gora Wurzel ging es Arthagan relativ gut. Auch er war eine tatkräftige Hilfe; befreite die schlanken Stämme von ihren Ästen oder kümmerte sich um unsere Verpflegung während Altaru und ich eifrig die Wände der neuen Räumlichkeiten hochzogen.
Am fünften Tag nach Altarus Eintreffen waren wir dabei das Dach des Anbaues zu decken. Arthagan war in der Hütte und kümmerte sich um unser Mittagessen, Als ich zum Himmel aufschaute entdeckte ich den Schatten eines großen Vogels, schon bald erkannte ich in ihm Dhwetans Eulengestalt (im Gegensatz zu mir bevorzugte Dhwetan eine Eulengestalt, zweifellos war jene eleganter und imposanter als meine, manchmal etwas zerzauste Rabengestalt. Doch die Elfen sind ja bekanntlich etwas eitler als unsereins.) Die Eule setzte zur eleganten Landung an, was ihr auch ohne Peinlichkeit gelang. (Meine blauen Flecken erinnerten mich immer noch schmerzlich an die Bruchlandung auch wenn jene schon einen Viertelmond zurücklag). Selbst der Gestaltenwandel des Erzdruiden wirkte mühelos und elegant (und fand natürlich ohne störendes Nießen statt).
Ich kletterte von der Leiter um meinen Meister seinem Stand gemäß zu begrüßen. Dhwetan der nicht viel von Formalitäten hielt, erwiderte meinen Gruß freundlich ehe er sich dem Draenei zuwandte.
„Schön dich hier zu treffen alter Freund…, auch wenn ich nichts anderes erwartet habe…“schmunzelte Dhwetan. Die beiden wechselten einige Worte ehe sich mein Meister mir wieder zuwandte. „Ist der Junge drinnen?“ erkundigte er sich ohne Umschweife. Ich bestätigte seine Frage und wollte ihn in meine Hütte führen, doch seine eisblauen Augen und seine kaum merkliche Handbewegung hielt mich davon ab. „Ich möchte meinen Patienten gerne kennenlernen ehe ich ihn untersuche. Galdraen wird in ungefähr einer Stunde Eintreffen, zeig ihm wo er die Pferde unterbringen kann, anschließend soll er euch beim Decken des Daches helfen. Nach Sonnenuntergang wird es regnen, die dunklen schweren Wolken die hierher unterwegs sind, waren wirklich nicht zu übersehen.“ Bemerkte Dhwetan und verschwand in meiner Hütte.
Da es erst kurz vor Mittag war, konnten wir es noch schaffen das Dach vor dem Regenguss fertig zu stellen, besonders wenn wir auf eine Mittagspause verzichteten und auf Galdraens Hilfe zählen konnte. Altaru huschte rasch in die Hütte um Arthagan unsere Entscheidung erst nach dem Fertigstellen des Daches zu essen, mittzuteilen.
Wie von Dhwetan angekündigt traf Galdraen eine gute Stunde nach dem Erzdruiden bei meiner Hütte ein. Der Ilaidir trug wie üblich seine dunkle, verstärkte Lederrüstung sowie seine beiden Langschwerter auf dem Rücken und ritt einen temperamentvollen silberweißen Hengst. Die beiden Packpferde welche er an einem Strick führte, wirkten stämmig und ihr Fell leicht zerzaust aber dennoch sehr gepflegt. Sie erinnerten mich sehr an die kleinen zähen Bergpferde aus Gilneas. Ich seufzte leise als verschwommene Kindheitserinnerungen in mir auflebten.
„Ich grüße dich Llew, alter Träumer“ die freundliche Stimme des Elfen holte mich in die Gegenwart zurück. Galdraen stand grinsend vor mir, seinen tänzelnden Hengst hielt er am Zügel. Seine onyxfarbenen Augen funkelten schelmisch ehe er mich zur Begrüßung Umarmte. Ich erwiderte sein ungezwungenes Begrüssungsritual und wir wechselten einige Worte Miteinander.
Altaru, welcher die Packpferde entgegengenommen hatte, grinste kopfschüttelnd und befreite die Tiere von ihrer Last. „Wenn du mir sagt wo ich die Tiere unterbringen kann, helfe ich euch gerne beim fertigstellen des Daches. Es wäre bestimmt nützlich fertig zu werden ehe es regnet.“ scherzte der Schwertmeister.
„Wenn sich dein Hengst mit Valashu und Altarus Elekk versteht kannst du ihn und die Packpferde gerne auf dieselbe Weide stellen, wenn nicht werde ich einen Teil davon für ihn abtrennen.“ „Das wird nicht nötig sein Llew, mein Vayuh kennt Valashu und Rakek seit vielen Jahren. Außerdem denke ich nicht das diese beiden Pferdedamen etwas gegen die Gesellschaft von drei so edlen Herren haben.“ grinste Galdraen und sattelte seinen Hengst ab.
Altaru und ich ließen die beiden Packpferde zu den anderen Tieren auf die Wiese. Valashu und Vayuh begrüßten sich stürmisch und maßen spielerisch ihre Kräfte. Rakek stand wie ein Fels in der Brandung, beobachtete die Neuankömmlinge flüchtig und mampfte desinteressiert weiter das saftige Frühlingsgras. Als wir uns von der Friedfertigkeit der gemischten Herde überzeugt hatten, wandten wir uns wieder der Arbeit zu. Obwohl Altaru und ich bereits müde und hungrig waren, arbeiteten wir geschäftig weiter. Wenige Stunden später befestigte ich die letzte der Dachschindeln und kletterte erschöpft von der Leiter.
Als wir die Hütte betraten (ich war im Gegensatz zum Draenei und Elfen ziemlich erschöpft), empfing uns ein köstlicher Duft von gebratenem Fleisch, Gemüse und Kartoffeln. Kaum Platz genommen, füllte Arthagan die Teller mit dem Essen was ihm von Dhwetan und Galdraen einen tadelnden Blick einbrachte. „Überlass das austeilen des Essens das nächste Mal bitte Dhwetan“ raunte ich ihm zu. Dem scharfen Elfengehör des Erzdruiden entging meine sanfte Belehrung nicht. Er schob eine Erklärung hinterher; „Es ist bei uns so üblich, dass der älteste sich um die jüngeren kümmert, das Austeilen des Essens ist eine symbolische Geste dafür. Da du dies nicht wissen konntest, sei dein Patzer verziehen. Deine Kochkünste sind wirklich bewundernswert, magst du mir noch etwas von den Kräuterkartoffeln reichen.“ schmunzelte Dhwetan und hielt seinem Teller dem erstaunten Jungen entgegen. Arthagan erfüllte die bitte des Erzdruiden mit von stolz geschwellter Brust.
„Was das Alter angeht Dhwetan… noch ist nichts entschieden“, warf Altaru plötzlich in die gesellige Runde. Seine Augen blitzen vor Schalk. „Nur weil dein Volk die Jahre anders berechnet als meines, heißt es noch lange nicht, dass du wirklich älter als ich bin mein weiser Freund…“konterte der Erzdruide geschickt. Auch seine Eisblauen Augen funkelten. Das freundschaftliche, neckische Streitgespräch zwischen den beiden alten Wesen ging noch einige Zeit hin und her. Arthagan wie auch ich schauten verwundert von einem zum anderen, und vergasen beinahe unsere gefüllten Teller. Galdraen hingegen aß unbeeindruckt weiter. Offenbar hatte er schon des Öfteren ähnliches erlebt, das Wortgefecht der beiden Alten entlockte ihm lediglich ein müdes seufzen.
Noch während wir gemeinsam am Tisch saßen, klang nicht mehr allzu ferner Donner an unsere Ohren. Die beiden Elfen hatten recht, es würde bald Regnen…
„Llew…Llew Llaw Arian…ich habe dich etwas gefragt.“ drang plötzlich die strenge Stimme meines Meisters zu mir. Ich schreckte, eine Entschuldigung murmelnd hoch, anscheinend war ich noch am Tisch eingeschlafen. Die harte Arbeit der letzten Tage sowie die Sorge um Arthagan raubten mir langsam die Kräfte. Leise bat ich, dass Dhwetan die Frage wiederholen mochte. „Du brauchst dringend Schlaf mein Schüler… Meine Frage lautete wann zuletzt du dem Jungen Gora sowie ‘Feenblut‘ gegeben hast.“
„Die Wurzel hat er heute früh bekommen, das ‚Feenblut‘, ein Viertel der Phiole, gestern Abend“ antwortete ich müde und verschluckte ein Gähnen. Dhwetan nickte verstehend. Aus einer Gürteltasche zog er ein Beutelchen mit grünlichem Pulver, schüttete einen Teil davon in einen Becher, füllte ihn bis zur Hälfte mit Wasser, rührte kurz um und reichte Arthagan das Gebräu.
„Du wirst das nun trinken Junge und dich dann umgehend hinlegen. Das Mittel hebt die Wirkung des Gora als auch das des ‘Feenblutes‘ auf. Du wirst dich in ungefähr einer halben Stunde elend fühlen und auch die Schmerzen wieder spüren. Es tut mir leid Junge aber diese Maßnahme ist nötig damit ich mich, nach der Untersuchung, die ich gleich durchführen werde, eine Entscheidung fällen kann.“ „Ich verstehe… „murmelte Arthagan, leerte den Becher und reichte das Gefäß dem Erzdruiden.
„Wir sollten bereits heute unsere Schlafplätze tauschen Arthagan. Dhwetan wird in den nächsten Tagen etwas mehr Platz benötigen als deine kleine Kammer es zulassen würde.“ Entschied ich gähnend. Der Junge nickte etwas unsicher, humpelte zu seinem bisherigen Schlafplatz um einige seiner Dinge zu holen und wechselte in meine Kammer und zog die Tür hinter sich zu.
„Galdraen, sag mir bitte Bescheid, wenn das Mittel wirkt, und du Llew leg dich etwas hin, ein Blinder sieht wie erschöpft du bist mein Schüler. Es wird zweifellos etwas dauern bis ich meine Untersuchung beendet und eine Entscheidung gefällt habe.“ Laut gähnend, kaum noch in der Lage meine Augen offen zu halten schlurfte ich in die kleine, vom Hauptraum abgetrennte Schlafplatz und lies mich erschöpft auf das Lager fallen.
Ich wusste nicht wieviel Zeit vergangen war bis mich Altaru sanft weckte. „Ist es denn schon Morgen… verdammt die Nächte werden immer kürzer…“ murmelte ich schlaftrunken und rieb mir meine brennenden Augen. „Nein es sind ungefähr zwei Stunden vor Mitternacht, aber Dhwetan hat die Untersuchung des Jungen beendet und möchte mit uns sprechen“
Ich blinzelte und folgte dem Draenei.
Müde lies ich mich auf eine der Sitzkisten fallen. Meine Augen brannten und schmerzten noch immer, ich versuchte sie vor dem Kerzenlicht zu schützen was meinem Meister natürlich nicht entging.
Plötzlich stand er neben mir „Leg deinen Kopf bitte in den Nacken Llew, ich möchte mir deine Augen kurz ansehen“, da ich zu müde war ihm zu widersprechen, insgeheim hoffte ich auch, dass er was gegen das schmerzhafte Brennen tun konnte, folgte ich schweigend seiner Aufforderung
Ich spürte wie er meine Augen behutsam unterersuchte und eine Flüssigkeit in sie träufelte. Es brannte schrecklich und ließ mich leise aufjaulen. Doch schon wenige Atemzüge später spürte ich die wohltuende Wirkung.
„Du bist lediglich übermüdet Llew, und deine Wolfsaugen reagieren nun mal etwas empfindlicher auf Schlafentzug als die eines normalen Menschen. Sie haben sich entzündet, aber das ist leicht zu beseitigen. Galdraen gibt dir nachher eine Salbe die du bei Bedarf selbst anwenden kannst. Von mir bekommst du, während den nächsten Tagen, die Tropfen.“ Ich nickte dankbar.
„So aber nun zu dem Jungen Arthagan.“ Eröffnete der Erzdruide das eigentliche Thema. Der starke Regen prasselte nun unentwegt auf die Hütte. „Das neue Dach ist dicht, Galdraen und ich haben uns davon überzeugt“ raunte Altaru mir leise zu.
„Arthagan schläft nun endlich. Aber du hattest recht Llew, um das Bein des Jungen steht es schlecht, und auch sonst hat ihm das Kursha schwer zugesetzt. Es wäre wohl am einfachsten ihm das Bein abzunehmen…, und auch der leichteste und erträglichste Weg für ihn…“
Diese Offenbarung lies Altaru und mich aufstöhnen, wir hatten es ja bereits befürchtet. „…ich sagte es wäre wohl der einfachste Weg, nicht der beste oder Einzige. Ich bin überzeugt den Jungen anders helfen zu können, auch wenn er ein, möglicherweise schweres, Hinken und gelegentliche Schmerzen sein Leben lang in Kauf nehmen muss, entschied sich Arthagan trotzdem für diese Alternative. Ich werde ihn morgen früh behandeln…“
„Wie wollt ihr Vorgehen Dhwetan…? platzte es aus mir heraus. Sogleich spürte ich die tadelnden Blicke aus eisblauen und onyxfarbenen Augen auf mir liegen.
Ein eisiger Schauer jagte mir über den Rücken. Ich murmelte eine leise Entschuldigung, senkte meinen Blick und beschäftigte mich mit der Maserung der Tischplatte (die feine Maserung eines unbehandelten Holztisches ist wirklich faszinierend.) während ich Dhwetans weiteren Worten aufmerksam lauschte.
„So kenne ich dich Llew… immer mit der Tür ins Haus fallen oder mit dem Schnabel in die Bohlen…“ schmunzelte mein Meister. Obwohl weder Altaru noch Galdraen mit der Bemerkung des Erzdruiden etwas anfangen konnte, spürte ich die Schamesröte in mir aufsteigen. Verlegen hob ich meinen Blick ein wenig. „Du brauchst dich nicht dafür schämen Junge, so ein Missgeschick kann leicht passieren. Besonders wenn man wie du ein gelegentlicher Tagträumer ist…“ bemerkte der Erzdruide gelassen ehe er wieder zum eigentlichen Thema kam. Arthagan hatte meinem Meister also von der Bruchlandung erzählt… stellte ich schweigend fest.
„Aber was deine zugegeben etwas überstürzte aber dennoch berechtigte Frage betrifft… Ich werde wohl auf ‘Cealg’ zurückgreifen müssen.“
Als Dhwetan das alte Wort erwähnte schauderte ich erneut, viel wusste ich über diese Behandlung nicht, nur dass sie sehr schmerzhaft ist. Nun verlor der sonst so gelassene Galdraen die Beherrschung. „Das kannst du nicht tun Dhwetan, du weißt selbst wie verdammt schmerzhaft das ‘Cealg’ selbst für uns zähen Elfen ist.“ brauste der Schwertmeister auf.
„Das kann und das werde ich tun müssen Galdraen, und nun beherrsch dich Ilaidir…!“zischte Dhwetan. Doch der Elfenkrieger dachte nicht im Traum daran dem Erzdruiden Folge zu leisten. Unbewusst rieb er sich mit schmerzverzerrtem Gesicht über seinen Oberschenkel und stürmte leise fluchend hinaus in die regenreiche Nacht. Altaru sprang ebenfalls von seinem Stuhl auf und wollte dem Elfen nacheilen, doch Dhwetans scharfes zischen hielt ihn davon ab. „Lass ihn mein Freund, Galdraen wird in ein zwei Stunden wieder zu sich selbst finden und zur Besinnung kommen…“ sprach Dhwetan nun ruhig. “Was ist mit ihm, er reagierte als ob er dieses ‘Cealg’ selbst erlebt hätte und die Erinnerung daran raubt ihm den Verstand…“ bemerkte ich leise.
„Das hast du vollkommen richtig erkannt, aber mehr brauchst du nicht zu wissen Llew…“
Etwa eine Stunde nach Mitternacht, Altaru und ich spielten Karten (der Kurzschlaf hatte bei mir wahre Wunder bewirkt, und auch meine Augen schmerzten dank Dhwetans Tropfen nicht mehr), Dhwetan blätterte in einem Buch, kehrte Galdraen bis auf die Knochen durchnässt, mit hängenden Schultern und blutenden Händen zurück.
„Nun Galdraen, hast du die armen Bäume genug verprügelt und deinem Missmut freien Lauf gelassen? Kann man nun wieder mit deiner Vernunft rechnen?“ seufzte Dhwetan leise. Der Gefragte blieb stumm wie ein Fisch und starrte auf den rohen Hüttenboden. Selbst als der Erzdruide sein Buch beiseitelegte und seinen Ilaidir von Kopf bis Fuß musterte, rührte sich dieser nicht.
Dhwetan seufzte abermals als er die zerschundenen und blutenden Hände des Elfen bemerkte. Ebenfalls kommentarlos drückte er seinen Begleiter sanft in den Stuhl.
Kurz darauf kehrte er mit einer Schüssel warmen Kräuterwasser, Verbandszeug und anderen Utensilien zurück. Gelassen setzte er sich neben Galdraen, noch immer brachte dieser keinen Ton über seine Lippen, und versorgte dessen zerschundenen Hände. Als Dhwetan einen feinen Schnitt über Galdraens Handteller zog um einen langen Holzsplitter zu entfernen, zuckte der Schwertmeister kurz zusammen, ansonsten starrte er anscheinend nach wie vor ins Leere und rührte sich nicht einmal als der Erzdruide die Wunde säuberte und vernähte.
Ich erkannte, dass Galdraen nicht abwesend war, sondern in einer Art Trance weilte, er ruhte vollkommen gelassen in sich selbst. Er saß vollkommen reglos auf dem Stuhl und lies sich die verletzen Hände versorgen.
„Fühlst du dich nun wieder klar genug um bei Arthagan zu wachen?“ erkundigte sich Dhwetan freundlich.
„Ich bin wieder ich selbst…“, entgegnete Galdraen ruhig beinahe monoton. „Dann geh mein Ilaidir, und erfülle deine Pflicht“ verlangte der Erzdruide.
„Wir alle haben unsere Schwächen und Eigenheiten. Es ist kein großes Geheimnis, dass Llew bisweilen ein Tagträumer bist. Altaru ist mitunter einfach zu gutherzig und nachgiebig. Galdraen ist etwas, sagen wir mal speziell, außerdem macht ihm sein aufbrausendes Wesen zu schaffen. Was mich selbst betrifft, ich bin ein alter sturer Kauz der nicht selten gegen Regeln und Richtlinien verstößt. Doch nun entschuldigt mich, ich möchte mich etwas zurückziehen und auf die morgige Behandlung vorbereiten“ bemerkte der Erzdruide gelassen räumte seine Utensilien zusammen und zog sich in den größeren der neugebauten Räume zurück.
„Wo er recht hat, hat er recht…Aber auch ich möchte etwas schlafen und das solltest du auch tun Llew“ verabschiedete sich Altaru kurz darauf. Ich saß noch einige Zeit am Tisch und starrte in die das flackernde Flamme der kleinen Öllampe, die den Hauptraum meiner Hütte in ein schwummriges Dämmerlicht tauchte, ehe ich mich dazu aufraffte um nach Arthagan zu sehen.
Ich öffnete leise die Tür zur Schlafkammer. Arthagan war wach, er versuchte mir zuzulächeln, doch sein Gesicht war von Schmerzen gezeichnet, nach und nach legte sich jedoch Erleichterung über die Maske, er atmete zusehends ruhiger und entspannte sich. Galdraen stand an seiner Seite und legte die unverbundene Hand auf die Beinwunde des Jungen. An sich war dies bereits ein seltsames Bild, doch als ich das sanfte grünliche Gleißen zwischen der Hand des Elfen und Arthagans Bein entdeckte traute ich meinen Augen kaum.
“Llew, schließe bitte die Tür und auch deinen Mund. Ich sagte dir doch bereits vor einiger Zeit, dass nicht immer alles so ist wie es scheint…Setz dich bitte, nicht dass du noch vor lauter Staunen das Atmen vergisst und deshalb und aus den Latschen kippst, denn wie du leicht erkennen kannst, habe ich derweil alle Hände, entschuldige ich meine Hand, voll zu tun.“
Ich lies mich perplex auf den Stuhl fallen. Das Galdraen etwas Besonderes ist, wusste ich schon seitdem wir uns das erste Mal begegneten, aber was ich nun zu Gesicht bekam, verschlug mir Buchstäblich die Sprache.
„Nun Llew, ich trug nicht immer Rüstung und Waffen. Es gab eine Zeit in meinem Leben, da ging ich einen anderen friedlicheren Weg, „fuhr der Elf im Plauderton fort. Das Gleißen unter seiner Hand schwankte, mal wurde es schwächer, mal stärker. Ich nahm an, dass es sich um eine mir unbekannte Heilmagie handelte, beschwören konnte ich es nicht, denn gesehen hatte ich solche Fähigkeit noch nie.
„Möglicherweise fragst du dich nun, wie es dazu kam, dass ich zu Waffen und Rüstung griff, im Laufe vieler Jahrzehnte vom einfachen Krieger zum Schwertmeister aufstieg, und schlussendlich zu Dhwetans Duir‘s Ilaidir wurde. Nun das ist eine Lange Geschichte mein Freund, eine sehr lange die ich dir möglicherweise ein andermal erzähle“ schmunzelte Galdraen.
„Sind die Schmerzen nun etwas erträglicher mein Junge. Ich darf dir leider nichts gegen sie geben, denn dies wäre für die morgige Behandlung hinderlich.“ „Es tut noch sehr weh, aber ich kann sie aushalten. Kann ich vielleicht etwas zu essen bekommen?“ „Leider auch das nicht Arthagan, aber ich darf dir etwas warme Honigmilch geben, wenn du es möchtest.“ bedauerte der Schwertmeister aufrichtig.
„Du findest beides in der Vorratskammer“, beantwortete ich Galdraens unausgesprochene Frage. Der Elf nickte und verlies leise das Zimmer.
„Was ist Galdraen eigentlich, er ist doch nicht einfach ein Schwertmeister, ist er vielleicht irgendein Priester oder so was …?“ fragte Arthagan neugierig kaum, dass wir alleine waren.
„Das weiß ich auch nicht so genau Junge, aber ich denke nicht, dass er Priester ist, den unter seinem Volk gibt es eigentlich nur Priesterinnen. Dhwetan meinte nur, dass sein Ilaidir etwas speziell sei…, aber was so ein spezieller Leibwächter alles zu tun vermag und welche Fähigkeiten er besitzt oder besitzen muss kann ich dir auch nicht genau sagen Arthagan. Wir sollten ihn einfach als Dhewtans Ilaidir akzeptieren…“ Arthagan nickte schweigend und starrte zur Tür.
Ich drehte mich langsam um und fluchte leise, Galdraen stand mit ernster Miene, eine Kanne in der einen Hand und mit unter dem Arm seiner Verbundenen Hand eingeklemmten Becher hinter mir.
„So meinte Dhwetan es …und ja das solltet ihr wirklich, und Llew würdest du mir bitte die Trinkgefässe abnehmen und auf den Tisch stellen?“
Ohne ein weiteres Wort füllte der Schwertmeister die drei mit der warmen nach Honig duftenden Ziegenmilch.
In Arthagans Becher gab er zusätzlich ein feines Pulver und rührte das Getränk um, ehe er es dem Jungen reichte. „Es schmeckt etwas mehlig aber bringt deine innere Aufgewühltheit zur Ruhe“, kommentierte er ungefragt.
In einen der übrigen Becher gab er den Inhalt einer Phiole dazu. Die grünliche Flüssigkeit roch stark nach bitteren Kräuter.
„Meine Hand schmerzt und ich hasse Schmerzen mehr als Dhwetans schreckliche Kräuteressenzen…dieser Becher ist also für mich selbst. Llew du brauchst mich nicht so vorwurfsvoll anzustarren, ich weiß das ich mir diese Schrammen selbst zugefügt habe und dafür hat mir Dhwetan bereits ordentlich den Kopf gewaschen. Verschone mich also bitte junger Druide“, bemerkte er lächelnd, roch an seinem Becher und trank das Gebräu mit angewiderten Gesichtsausdruck.
Ich hingegen nahm mir den Becher mit der puren Honigmilch und genoss das süße, warme Getränk.
„Ich fürchte mich vor der Behandlung…“ bemerkte Arthagan plötzlich nachdenklich und sehr leise. „Dhwetan meinte, dass es schmerzhaft werden würde besonders dieses Cia… ähm Clea… ach verdammt ich habe vergessen wie er es nannte…Was ist das.,“
„Du meinst wohl ‘Cealg’.“ half ich dem Jungen und bereute sogleich, dass ich dieses vermaledeite Wort ausgesprochen hatte.
Galdraen schoss fluchend von der Bettkannte auf kaum, dass das Wort an sein Ohr drang, strich sich wiederholt unbewusst über seinen Oberschenkel und tigerte im Zimmer auf und ab. Ich befürchtete schon, dass er wieder in die Nacht davonrannte. Doch nach einigen Minuten beruhigte er sich allmählich. Er bekam seine entgleisenden Gesichtszüge nach und nach wieder in den Griff. In seinen Augen las ich tiefe Trauer aber auch die Erinnerung an überwältigendem Schmerz.
„Nun gut, ich will es euch beiden erklären was die Erzdruiden unter ‘Cealg’ verstehen, und weshalb es heißt, dass es überaus schmerzhaft sei doch das ist es leider wirklich so…“ fügte Galdraen leise hinzu.
„Darf ich mir dein Zeichenbrett ausleihen?“ Arthagan nickte und der Elf begann mit flinker Hand eine Skizze anzufertigen.
“ ‘Cealg’ ist eine alte beinahe vergessene Behandlungsmethode, wer sie einst entwickelt hat weiß keiner mehr so genau. Einige Quellen meinen es waren die Hochelfen, in anderen heißt es sei das ‘Sternenvolk‘, also die Draenei gewesen, wieder andere berichten von einem noch älteren Volk…sicher ist nur, dass es nicht die Nachtelfen gewesen sind.
‘Cealg’ dient unter andern dazu Gifte, Unrat, und Schmutz aus tiefen Wunden zu beseitigen. Mit diesem Ding, ich weiß nicht wie es genannt wird deshalb habe ich es euch aufgezeichnet, wird über Knochen und Gewebe, hmm sagen wir mal geschabt, was leider verdammt schmerzhaft ist. Ich weiß nicht ob es am Instrument das verwendet wird liegt, an der Technik, an der Kräuteressenz in die es eingetaucht wird, oder an der eigentlichen Methode liegt. Aber so weh es tut, so effektiv ist es auch…“
Der Schwertmeister drehte den Zeichenblock uns nun zu, so dass ich eine Art kleiner Löffel mit langem dünnen Stiel abgeschrägten und offensichtlich messerscharfen Kanten erkannte. (es sah wahrlich wie ein Folterinstrument aus, aber ob es an den Zeichenkünsten des Elfen lag, nun ja das glaubte ich eher nicht.) Als Arthagan das Bild sah, und Galdraens unbeschönigende Worte vernahm wurde er kreidebleich und zitterte leicht.
Nur wenige Erzdruiden, darunter Dhwetan beherrschen diese Behandlungsmethode, daher ist sie selten geworden, und wird kaum noch eingesetzt.
Aber wir alle kennen ja unseren Erzdruiden, er ist nicht so leicht zu überstimmen besonders wenn etwas effektiv hilfreich und in einigen Situationen auch Sinnvoll ist.
Und ja verdammt, in deinem Fall Arthagan, gibt es wohl nichts Besseres, das habe selbst ich mittlerweile eingesehen, und deshalb werde ich Dhwetan morgen zur Hand gehen.
Ich will dir nichts verheimlichen, und beschönigen.“
Arthagan schluckte schwer als ihm der Schwertmeister dies offenbarte.
„Wird es sehr weh tun?“
Galdraen nickte stumm und fuhr dann mit seiner Erläuterung fort: „Ja das wird es Junge, der Schmerz ist überwältigend, er droht einen in die Bewusstlosigkeit zu reißen…“
„Wie lange wird es dauern…“ fragte ich nun, denn für mich war diese Art der Behandlung völlig unbekannt.
„Das kann ich dir leider nicht sagen Llew, aber Dhwetan wird dafür sorgen, dass der Junge nicht länger als unbedingt nötig Schmerzen hat.
„Arthagan, In dieser Zeit gilt es fest auf das Holz zwischen den Zähnen zu beißen, damit man den Schmerz ertragen kann. Auch wenn das alles schlimm klingt, denk daran, dass die Qual auch ein Ende hat und es dir danach besser geht…und die Wunde allmählich verheilen wird. Es mag schwer sein aber man kann es aushalten, dass kannst du mir ruhig glauben Arthagan“ Versprach Galdraen.
Zu Arthagan und meiner Verwunderung, streifte sich der Elf sein Beinkleid zum Teil ab und zeigte uns eine lange Narbe, welche sich über seinen Oberschenkel zog und von seinem Hüftknochen bis zum Knie reichte. Ich wunderte mich sehr, denn normalerweise hätte eine so üble Verletzung, wäre die auf herkömmliche Weise Behandelt worden, eine Behinderung für den Schwermeister dargestellt. Doch Galdraen konnte sein einstmals schwer verletztes Bein wie ein gesundes benutzen, nicht das leiseste Hinken war zu erkennen. „Dhwetan…?“ fragte mich verblüfft. „Ja das ist das Cealg-Werk deines Lehrers Llew, und wie du siehst behindert es mich nicht im geringsten, mein Bein ist vollkommen verheilt, obwohl viele es mit damals abnehmen wollten.“ lächelte der Schwertmeister.
„Aber nun wird etwas geschlafen, ich bleibe hier bei dir, den Llew benötigt ebenfalls dringend Ruhe“. Galdraen legte seine Hand auf die Schläfe des liegenden, unter seiner Handfläche gleißte es leicht worauf Arthagan in ruhigen Schlaf viel.
„Der Junge wird nun tief und fest schlaffen. Dhwetan trug mir auf, dafür zu sorgen das dir dasselbe zuteilwird also auf geht’s mein Freund“.
Galdraen nahm einen kleinen Tiegel aus Dhwetans Druidenkiste an sich und schob mich sanft aus der Kammer.
Mit dem Schwertmeister im Schlepptau schlurfte ich, zu Arthagans abgetrennten Schlafplatz welcher in nächster Zeit der meinige sein würde und lies mich seufzend aufs Lager fallen. Ich war wirklich hundemüde, doch eine innere Unruhe tobte in mir, so dass ich zweifelte den dringend benötigten Schlaf zu finden. Außerdem brannten und schmerzten meine Augen wieder. Zu meinem Erstaunen bemerkte Galdraen dies, zog eine kleines Flaschen aus seiner Gürteltasche und träufelte einige Tropfen aus ihr in meine Augen.
Das brennen war schlimm aber die beinahe augenblicklich einsetzende Wirkung lies mich dankbar aufseufzen.
Der Elf legte den Tiegel mit der Salbe auf die zum Beistelltisch umfunktionierte leere Vorratskiste. „Vergiss nicht die Augensalbe morgen früh zu benutzen…“ ermahnte er mich ehe er zwei seiner Finger auf meine Schläfe legte und leise einige Worte murmelte.
Sanft glitt ich ins Reich der Träume.
Das leise Zwitschern der Vögel weckte mich in aller Frühe, und obwohl es noch vor Sonnenaufgang war, fühlte ich mich ausgeruht und erholt.
Langsam regte sich in mir die Erinnerung an den vergangenen Abend. Es musste bereits weit nach Mitternacht gewesen sein als mich Galdraen irgendwie zum Schlafen brachte. Der Ilaidir meines Meisters brachte mich vor viele Rätsel…
Meine trockenen und schmerzenden Augen erinnerten mich an die Salbe welche er auf die Kiste neben dem Bett zurückgelassen hatte. Ich riss mich zusammen und benutzte ein wenig von ihr, wie erwartet war dies alles andere als angenehm. Ich musste mehrmals blinzeln bis mich meine durch Tränen verschleierte Sicht klärte. (Es ist wirklich wie verhext mit den Tinkturen Salben und Essenzen die mein Meister herstellte. Sie schmeckten entweder widerlich oder waren im besten Falle unangenehm in ihrer Handhabung, wirkten jedoch stets wie kleine Wunder.)
Ich schälte mich schwerfällig aus den Laken und (wäre beinahe über sie gestolpert) schlurfte zum provisorischen Waschtisch. Das Kalte Quellwasser weckte meine zum teils noch schlafenden Lebensgeister.
Aus dem Koch- und Essraum hörte ich ein leises scheppern, irgendwer war bereits früher als ich auf den Beinen.
Als ob es selbstverständlich wäre, werkelte Altaru am Kochfeuer. Der Duft süßen Haferbreis drang an meine Nase. Ich wunderte mich, dass nur vier Gedecke auflagen und holte einen weiteren Teller und Becher aus dem selbstgezimmerten Regal.
„Arthagan wird nicht mit uns frühstücken Llew, er darf in den nächsten Tagen nur etwas Kräutermilch zu sich nehmen, so lautet Dhwetans Anweisung. Galdraen hat ihm seinen Frühstücksbecher bereits in die Kammer gebracht. Da fällt mir ein mein Freund, würdest du bitte die Ziegen melken, und vielleicht findest auch einige Eier…“ bat der Paladin. Ich seufzte leise, legte das Geschirr ins Regal zurück und schnappte mir den Melkeimer.
Als ich mit dem halbvollen Eimer und einigen Eiern zurückkehrte, saßen meine drei Gäste bereits am Tisch.
„Arthagan geht’s den Umständen entsprechend gut“, teilte uns Dhwetan freundlich mit. Der Erzdruide schnitt den Laib Brot auf und legte die Scheiben auf unsere Teller, Altaru teilte lächelnd den Haferbrei aus. Galdraen grinste mich an. Ich verstand den Schwertmeister sofort und musste ebenfalls schmunzeln, anscheinend haben Dhwetan und Altaru ihre ‘Diskussion‘ bezüglich des Alters und somit der ‘Nahrungsverteilungsrechte’ aufgegeben und einen Kompromiss gefunden.
„Llew, schenkt dir die Salbe etwas Linderung?“ unterbrach der Erzdruide unser schweigsames Mahl. „Nur etwas …“ antwortete ich wahrheitsgemäß da meine Augen bereits wieder brannten.
Dhwetan musterte mich eindringlich und wandte sich leise seufzend an seinen Ilaidir. „Wie steht es um deine Hände Galdraen?“ erkundigte er sich besorgt. „Sie schmerzen Dhwetan, und das Jucken um die Naht ist kaum auszuhalten…ich bin ein Idiot…“ murmelte der Elfenschwertmeister beschämt. „Möglicherweise bist du das Galdraen, dass musst du selbst entscheiden. Aber nicht umsonst heißt es, dass Schmerz oftmals der beste Lehrmeister sei. Nach dem Frühstück schaue ich sie mir an, und auch deine Augen Llew, also versuch erst gar nicht dich zu drücken…“ mahnte der Erzdruide und widmete sich schweigend seinem Honigbrot.
Altaru schmunzelte verstohlen und nickte Dhwetan anerkennend zu. Ihm schien zu gefallen wie mein Meister Galdraen und mich in Griff hatte.
„Wenn ich die beiden Narren versorgt habe, behandle ich Arthagan, ich möchte dich nicht ausschließen Altaru, du kannst gerne dabei sein…“
„Nein lieber nicht alter Freund, du weißt, dass ich diesbezüglich etwas zarter besaitet bin als viele. Außerdem gibt’s hier genügend für mich zu tun.“ entschuldigte sich Altaru etwas verlegen.
Während der Draenei den Frühstückstisch abräumte und das Geschirr spülte,(ich ging ihm dabei zur Hand), versorgte Dhwetan die Verletzungen des Schwertmeisters. Galdraens Hände waren mittlerweile leicht angeschwollen und zeigten blaue Flecken. „Es wundert mich nicht, dass die Wunde juckt…“murmelte der Erzdruide. Die Haut rund um den sauber vernähten schnitt zeigte Rötungen und kleine Erhebungen. Ich vermutete, dass sich noch winzige Splitter in ihr befanden oder anderer Unrat. Dhwetan schien zur selben Erkenntnis zu gelangen, denn er sprach leise auf den Elfen ein und verschwand kurz in seiner Kammer.
Als er zurückkehrte hatte er ein feines Messer, eine Pinzette sowie Nadel und Faden dabei.
Geschickt entfernte er die restlichen Splitter. Als er den ersten Splitter zog, die Wunde säuberte und einigen Stichen wieder schloss, zuckte Galdraen etwas aber der strenge Blick des Erzdruiden belehrte ihn eines Besseren. Die restliche Prozedur ließ er reglos über sich ergehen.
„Wenn du das nächste Mal wahllos auf Bäume einprügelst, zieh dir wenigstens Handschuhe über Galdraen. Das erspart dir Schmerzen und mir meine kostbare Zeit. „lächelte der Erzdruide sanft, verband die Hand neu und zitierte mich anstelle seines Ilaidirs auf den Stuhl.
„Wir werden etwas anderes versuchen…“ schlug Dhwetan vor nachdem er meine Augen erneut untersuchte. Ich spürte wie sich etwas Zähflüssiges über meine Augen legte, zu meiner Verwunderung schmerzten diese neuen ‚Tropfen‘ nicht, es war lediglich ziemlich unangenehm (um es mal nicht übertrieben auszudrücken).
Ein Schleier legte sich über meine Sicht, ich sah alles wie durch feinen Nebel. „in ein bis zwei Tagen werden wir es wieder ‚auswaschen‘, bis dahin beruhigt und schützt dieser Schleier deine Augen. Du wirst dich also etwas daran gewöhnen müssen, und auch die Salbe wirst du morgens und abends benutzen Llew. Du Galdraen nimmst abends eine davon (der Erzdruide schob dem Elfen einige Phiolen zu) Ihr beide seid manchmal schlimmer als ungezogene Kinder, doch nun sollten wir uns um Arthagan kümmern“ seufzte Dhwetan.
Als ich die Kammer betrat war Arthagan wach und nippte lustlos an seiner Kräutermilch. Galdraen rückte meinen Schreibtisch in die Nähe des Bettes, legte ein stark nach Kräuter duftendes Tuch darüber und breite die Heiler Instrumente des Erzdruiden darauf aus. Auch einige Fläschchen, Tücher, Bandagen und eine Schüssel mit beinahe noch kochenden Wasser stellte er daneben. Ich half Arthagan aus dem Beinkleid und Wams und lege eine Decke über seinen fröstelnden Körper, er umklammerte den Becher als ob sein leben davon abhinge, nur sehr wiederwillig übergab er mir das Trinkgefäß und legte sich flach auf den Rücken. Dhwetan füllte einige Räucherschalen mit Glühenden Kohlen aus dem Kochfeuer, gab getrocknete Kräuterbündel (hauptsächlich aus Salbei und Minze bestehend) darauf und verteilte sie im Raum. Die Kräuter schwelten vor sich her, und der weiße Rauch durchzog die Kammer. Der Klare Reine Duft schwängerte alsbald die Luft so das eine relativ angenehme und beruhigende Atmosphäre entstand. Auf einer der Kohleschale gab er eine spezielle Kräutermischung hielt sie direkt unter die Nase des Jungen und zwang ihn sanft den Rauch einzuatmen. Ich band mir schnell ein Tuch um Mund und Nase, denn ich kannte den Duft und wusste, dass sie betäubend und auch leicht berauschend wirkte, doch ich musste bei klarem verstand bleiben. (Insgeheim beneidete ich Arthagan ein wenig über den Zustand indem die Kräuter ihn führen würden.). Als der Junge bereits ein klein wenig benebelt war, reichte mir Dhwetan die Räucherschale, auf dass da s ich seine Aufgabe übernehmen würde. Ich versuchte meine eigene Angst und Nervosität zu verbergen, sprach leise und beruhigend auf Arthagan ein. Ich ermahnte ihn tief und gleichmäßig einzuatmen, damit der Kräuterrauch, seine volle Wirkung entfalten konnte. Auch bot ich ihm meine Hand an, die er sogleich umklammerte.
Dhwetan hatte mittlerweile die Verbände abgewickelt und beäugte die Wunden seufzend. Auf sein kaum merkbares Nicken hin, schob ich Arthagan ein Beissholz zwischen die Zähne, ein weiteres legte ich griffbereit auf den Beisstelltisch (nun ja genaugenommen war es eine umfunktionierte Reisekiste), wo nun auch die Räucherschale stand. „Ffühh fürchschte mich…“ murmelte Arthagan mit schwerer Zunge. Seine Augen wandten sich hilfesuchend an mich, seine Hand verkrampfte sich um meine Finger (sein Griff glich dem eines Schraubstockes). „Es wird weh tun aber es wird nicht ewig dauern…“ Entgegnete ich leise und strich ihm durch das flachsblonde Haar.
Ich nickte meinem Meister zu um Arthagans Bereitschaft zu bestätigen. Der Erzdruide wirkte einen Bewegungsbann auf die Beine des Jungen und begann vorsichtig die halbverheilte Naht aufzutrennen und das verfärbte Fleisch zu entfernen. Arthagan stöhnte schmerzgepeinigt, Schweißtropfen traten auf seine Stirn und Tränen befeuchteten seine Augen. Das Holz zwischen seinen Zähnen knirschte verdächtig. Auch meine Augen wurden feucht als ich die Qual meines jungen Freundes mitterleben musste.
Als Dhwetan zu dem seltsamen Löffelähnlichen Instrument griff und mit dem ‘Cealg’ begann, brachen zwei leise Knackgeräusche die Stille. Beide klangen (anscheinend selbst für nicht Worgenohren) mehr als unangenehm. . (Das erste Knacken war das Beissholz zwischen den Zähnen des Jungen, das zweite nun ja waren meine Fingerknochen…) Zusätzlich folgten dem Knacken zwei weitere nicht minder schauerliche laute, zum einen Arthagans durchdringender Schmerzschrei sowie mein gepeinigtes aufheulen
„Galdraen…!!! Und du Llew reiße dich zusammen…!!“ befahl Dhwetan sehr forsch und hielt einen Moment in seinem Tun inne.
Der Schwertmeister reagierte blitzschnell, war an Arthagans Kopfseite und stopfte ihm unsanft ein Tuch zwischen die Zähne damit der Junge sich nicht die Zunge zerbiss (oder schlimmer, durchbiss). Es dauerte einige Minuten bis der Junge zu zittern aufhörte und es ihm, unter Galdraens Anweisung, wieder möglich war ruhig und gleichmäßig zu Atmen. Der Erzdruide wirkte sehr besorgt, mit dieser Reaktion hatte er anscheinend doch nicht gerechnet, (da er kein Mensch war, kannte er natürlich auch dessen Schmerzempfinden nicht).
„Dhwetan …macht weiter bitte… ich … ich kann es aushalten…“ meldete sich da Arthagan mit leicht zitternder Stimme zu Wort. Der Erzdruide dachte einen Moment nach und wechselte dann einige Worte in der Elfensprache mit seinem Ilaidir. Ich verstand nur Brocken davon aber mir wurde klar, dass die beiden anfangs nicht gleicher Meinung waren, Dhwetan jedoch zum meinem Erstaunen in den Vorschlag des Schwertmeisters einwilligte.
Galdraen tränkte ein Tuch mit einer stark riechenden Kräuteressenz und drückte dieses sanft auf Arthagans Mund und Nase. Der Junge verdrehte die Augen, keuchte leise und sank nach einigen Atemzügen in die Gnade der Bewusstlosigkeit.
Galdraen löste behutsam Arthagans verkrampften Finger welche noch immer die meine Hand umschloss. Selbst ein Laie erkannte nun, dass der Junge mir zumindest einen Finger gebrochen hatte. Ich fluchte leise und als Galdraen sie untersuchte winselte ich (es tat wirklich verdammt weh, denn es war als ob feurige Lanzen meinen Körper durchbohrten). Dhwetans leises seufzen und sein mahnender, eisiger Blick erstickten die laute noch ehe weitere meine Kehle verließen. „Ich werde dich für einige Monde zu Meister Lao Windpfote schicken sobald der Junge genesen ist. Versuch dich zu beherrschen Llew. Galdraen, leg ihm bitte einen Breiumschlag auf damit und verbinde die Hand locker damit sich die Schwellung in Grenzen hält, ich werde ihm nachher die gebrochenen Knochen richten und schienen…“ erläuterte Dhwetan ruhig. „Wie geht es dem Jungen?“ „Seine Atmung ist gleichmäßig, du kannst weiter machen Dhwetan…“ beantwortete Galdraen die Frage meines Meisters und mischte die Zutaten, Heilerde und Kräuter, zu einem kühlenden Brei zusammen.
Ich zögerte etwas als mich der Schwertmeister aufforderte ihm meine Hand entgegenzustecken. Mir ging so einiges durch den Kopf, besonders den Namen den Dhwetan nannte… Meister Lao Windpfote… Ich wusste weder wer noch was dieses Meister war. An dem Tonfall des Erzdruiden erkannte ich, dass dieser Lao für ihn hoch angesehen war, aber ich spürte auch die Freundschaft die mein Meister mit diesem Lao Windpfote verband. Auch Galdraen schien ihm zu kennen, und ich vermutete, dass er selbst seine Erfahrung mit diesem Mysteriösem Meister gemacht hatte. Die Selbstbeherrschung des Elfen lies nicht erkennen ob diese negative oder positives war. Doch die Achtung und Respekt den er ihm zollte, konnte selbst der Ilaidir nicht verbergen.
Die zweite Überraschung war, dass Galdraen weitaus behutsamer mit Verletzten (zumindest mit mir) umging als ich es von meinem Meister gewohnt war. (Insgeheim wünschte ich mir, dass er und nicht Dhwetan später mir die Fingerknochen richten mögen… aber das würde wohl mein Wunschtraum bleiben…)
Mit der Dick verbundenen, und in einer Schlinge liegenden Hand, setze ich mich wieder an die Kopfseite des Bettes. Arthagan war noch immer bewusstlos, er wirkte jedoch entspannt und atmete ruhig und gleichmäßig. Ich war froh für den Jungen, dass er die restliche Behandlung nicht spüren würde. Da ich nicht wusste ob er mich trotz allem hören konnte, sprach ich leise auf ihn ein, erzählte von all dem was wir tun würden, wenn er wieder genesen währe. Wie wir gemeinsam durch die Wälder laufen und dem klang des Windes horchen würden.
„Er hört dich Llew, sprich weiter zu ihm denn es tut ihm gut …“ flüsterte Galdraen freundlich, in regelmäßigen Abständen kam er zum Kopfseite um Arthagans Atmung und Herzschlag zu kontrollieren. Ich wusste nicht viel über Behandlung eines Bewusstlosen, besonders wenn man ihn durch Kräuter in diesen Zustand brachte und hielt, aber an Dhwetans und Galdraens Sorge zu erkennen, dass es Risiken in sich trug.
Ich betrachtete Arthagans Gesichtszüge, sie hatten sich verändert und ein feines Lächeln umspielte sie, anscheinend hatte der Elf recht. Arthagan konnte mich hören, vielleicht auch verstehen und so erzählte ich ihm weiter von der Schönheit des Dämmerwaldes und versprach, dass er bald alles mit eigenen Augen sehen würde.
Das ‘Cealg’ zog sich über mehrere Stunden hin, ebenso auch Arthagans Bewusstlosigkeit. Ich sah Dhwetans Erleichterung und an als er die lange Beinwunde endlich vernähen konnte. Er wirkte sehr erschöpft aber auch zufrieden. „Es wird einige Monde dauern, aber vollständig verheilen, vielleicht behält er nicht mal ein Hinken zurück… wir werden sehen. Und die Zeit wird es zeigen“, sprach der Erzdruide ruhig und kümmerte sich nun um die Kleineren noch nicht verheilten Verletzungen an Arthagans Seite, Arme und Gesicht.
„Du kannst ihn aufwecken Galdraen, aber sehr behutsam und langsam, er ist ein Mensch vergiss es nicht…“, wies Dhwetan seinen Ilaidir mit sanfter Stimme an.
„Llew… nun bist du dran, und ich bitte dich abermals reiße dich zusammen ich bin müde erschöpft und dadurch… wie ich zu meiner Schande gestehe etwas reizbar.“ bat der Erzdruide und wies mir seinen Stuhl zu.
Erstaunt über die Offenbarung meines Meisters, setzte ich mich wortlos und ohne Widerspruch (die Offenheit meines Meisters verschlug mir einfach die Worte, wie ich zu meiner eigenen Schande gestehen muss). Ich Konzentrierte mich also auf die Atemtechnik, welche mir Dhwetan vor vielen Jahren beizubringen versuchte. Zum meinem eigenen erstaunen hatte ich während Dhwetan meine Hand untersuchte weder den Drang zu Jaulen zu stöhnen zu fluchen oder andere Laute über meine Lippen gleiten zu lassen (obwohl es dennoch ziemlich weh tat und sehr, sehr unangenehm war.)
Als der Erzdruide die gebrochenen Knochen mit einem Ruck richtete, und ein stechender Schmerz durch meinen Körper schoss fleuchte trotz aller Vorsätze, und Bemühungen ein ungebührlicher Fluch und ein leises Stöhnen über meine Lippen. Beschämt und demütig senkte ich meinen Blick und weichte so auch Galdraens schmunzeln aus. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass der Schwertmeister neben mir stand und meine Arm und Schulter so festhielt, dass ich ihn unmöglich zurückziehen konnte. „Hast dich tapfer gehalten mein Freund, aber einige Zeit bei Meister Windpfote wird dir sicher nicht schaden“ grinste er verschmitzt und reichte meinem Meister Baumrindenstücke und Bandagen damit er meine Finger schienen und anschließend verbinden konnte. Als ich meinen Blick weiter hob, sah ich auch dass Dhwetan ein lächeln nicht verbergen konnte.
„Llew, entschuldige… ich… ich wollte dir nicht…Es tut mir leid…“
Die schwache leise Stimme erklang vom Lager her, Arthagan war obwohl wach, obwohl er noch etwas benebelt klang. Ich seufzte erleichtert, offensichtlich war die ‘Cealg’ Behandlung erfolgreich. „Es geht ihm den Umständen entsprechend gut, er wird noch einige Tage starke Schmerzen haben, aber dagegen gibt es Kräuter, und andere die ihm bei seiner Genesung helfen werden.“ Ich nickte dankbar als der Erzdruide meine dick verbundene Hand behutsam in eine Schleife legte. Etwas wackelig auf den Beinen schlurfte ich zum Kopfteil des Lagers und setze mich plump auf den Bettrand. „Es gibt nichts zu entschuldigen Arthagan, wichtig ist nur dass es dir gut geht mein Junge, meine Finger werden heilen, die Knochen zusammenwachsen, ich werde wohl lediglich einige Zeit aufs Fliegen verzichten, und Dhwetans scheußliche Kräuterelexiere zu mir nehmen müssen…“ scherzte ich ( ja verdammt meine Hand pochte als ob tausende Schmiede auf ihr rumhämmern würden, aber dennoch, gegenüber dem was der Junge ertragen musste, war mein Problem nichts weiter als lästige Fliegenscheisse).
„Was meine ‘scheußlichen Kräuterelixiere‘ betrifft Llew…. Damit wollen wir doch gleich beginnen, also Mund auf junger Schüler und runter damit.“ Dhwetan stand direkt vor mir. Ein Holzlöffel gefüllt mit einem zähflüssigen Sirup schwebte drohend vor meinen Lippen. Ich schloss meine Augen und erlaubte dem Ding sein Ziel zu finden… (es schmeckte wirklich scheußlich). Das Wasser welches mir gereicht wurde war Labsal und besser als jeder noch so teure Elfenwein, zumindest für mich in dieser Situation.
Galdraen war bereits dabei die gebrauchten Materialien aufzuräumen, er warf alle sin einem Kessel aus dem es einfach bestialisch stank. Ich ahnte was sich unter den blutigen Tüchern verbarg, und war nicht erpicht nochmals einen Blick auf dem Urat, welcher aus Arthagans Wunden entfernt wurden zu werfen. „Gibt es einen Ort wo ich das Zeug verbrennen kann…? ich würde es nur ungern nahe der Hütte oder gar in unserem Kochfeuer erledigen…“ wandte sich Galdraen an mich. Seine Stimme klang seltsam gedämpft da er ein Tuch um Mund und Nase gewickelt hatte, auch er versuchte dem Geruch so gut wie möglich entgegenzuwirken.
„Am besten gehst zum Flussufer und dann nach Norden. Von hier ist es ungefähr eine halbe Wegstunde bis zu der Sandbank, dort kannst du gefahrlos ein Feuer entzünden. Nimm dir etwas Brennholz mit…“ schlug ich dem Schwertmeister vor. „Galdraen, nimm Altaru mit, unser Freund sitzt bestimmt auf einem Hummelnest, da er noch nicht weiß wie es um seinen Knappen steht…Ein Spaziergang wird euch beiden guttun.“ Der Schwertmeister nickte still, schnappte sich den Eimer und anscheinend auch Altaru und Swar. (Meine scharfen Ohren nahmen die Schritte der beiden und das leise tapsen meines Wolfes, welche die Hütte verließen wahr).
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