Kapitel 1; Der Fremde
Es war eine sternklare Nacht, hoch am Himmel schrie ein Käuzchen, und das Pochen eines hungrigen Spechtes erfüllte den dunklen Wald.
Der kühle Nachtwind zerzauste mein langes schwarzes Haar indem sich bereits die ersten silbernen Strähnen zeigten. Ich öffnete das schlichte Band, bändigte meine wilde Mähne verknotete es neu.
Der zarte Duft wilder Waldkräuter drang an meine geschärften Sinne und brachte mich zum Niesen.
Mein treuer Swar, Begleiter, Freund und Reittier gleichermaßen, der neben mir friedlich döste blinzelte kurz. Seine bernsteinfarbenen Augen funkelten mit dem zarten Licht der Sterne um die Wette.
Rasch versenkte ich meine Hand in sein dichtes dunkles Fell, ich spürte das feine Zittern seines zum Angriff gespannten kräftigen Körpers. Die leisen Worte die ich murmelte beruhigten den großen Wolf er gähnte herzhaft, vergrub seinen Fang wieder unter den Pranken, schloss seine Augen und döste weiter.
Da die steife Brise zunahm, schloss ich meinen Umhang enger um den Körper und zog die Kapuze tief in mein Gesicht.
Die Kälte zwickte an der alten Narbe welche sich über meine linke Gesichtshälfte zog, und erinnerte mich an meine eigene Unfähigkeit mit dem Schwert umzugehen.
An jenem Tag, als ich mir dieses Andenken selbst zuzog, schwor ich mir Insgeheim nie wieder mit einem Schwert oder einer längeren Klinge rumzufuchteln.
Ich tauschte jegliche Klingenwaffen die ich besaß, gegen meinen geschnitzten Ebereschenstab.
Nun ja beinahe jede, denn an meinen Gürtel welcher meine schlichte Druidenrobe zusammenhielt, steckte nach wie vor meine Kräutersichel.
Sie war schlicht, besaß eine scharfe gekrümmte Schneide und einen einfachen glatten Holzgriff.
Sie war mein wichtigstes Handwerkszeug als auch mein Rangabzeichen, und ich fragte mich selbst ob ich jemals eine verzierte Kräutersichel tragen würde, das Zeichen eines Erzdruiden.
Wie so oft in sternklaren Vollmondnächten saß sich am See unweit meiner Hütte, lauschten dem Wispern des Windes in den Baumkronen und den anderen Stimmen der Natur.
Ich genoss die Abgeschiedenheit und Einsamkeit in den Tiefen des Dämmerwaldes. Nur selten besuchte ich die Städte der Menschen, Nachtelfen und Zwerge. Manchmal jedoch bot ich meine Kräuter, Tinkturen und Salben in den Ortschaften feil, denn selbst ein Druide, ein ‚verrückter Einsiedler‘ wie mich böse Zungen auch nannten, benötigt gewisse Utensilien um sich das Leben angenehmer zu machen.
Ich betrachtete das Spiegelbild des Vollmondes im ruhigen Gewässer, und sann über den Sinn des Lebens nach. Ich beobachtete das kräuseln des Wassers wen ein Fisch nach einem Insekt schnappte, und lauschte dem leisen Tapsen und Plätschern, wenn die Wildtiere kamen um ihren Durst zu stillen.
Die Vergangenheit eroberte mein Gedächtnis, ich akzeptierte auch die Gegenwart und fragte mich wie meine Zukunft wohl sein Würde, wie die Zukunft unserer Welt wohl sein würde, jetzt da sich der alte Feind immer mehr rührte.
So schweiften meine Gedanken schweiften in die eigene Vergangenheit ab;
Meine Eltern gaben mir den Namen Llew Llaw Arian.
Ich wurde als zweiter Sohn eines gilnearischen Gutbesitzers geboren.
Doch wie so viele unserer Landsleute, floh meine Familie aus Gilneas und verlor Besitz und Titel.
Im Land der Nachtelfen fanden wir schließlich Zuflucht und auch eine neue Heimat. Mein Vater verdingte sich als Schmied und meine Mutter als Näherin.
Mein älterer Bruder Gormal starb in jungen Jahren.
Ein Jagdunfall kostete ihm das Leben, so hieß es, aber ob dies wirklich die Wahrheit war…?
Im Alter von nur vierzehn Sommer nahmen die Nachtelfen mich zu sich. Der Erzdruide Dhwetan Duir erklärte meinen Eltern, dass ich eine besondere Gabe besäße, und so wurde ich von den Spitzohren zum Druiden ausgebildet.
Doch dies alles geschah vor langer Zeit, es scheint mir fast, dass es in einem anderen Leben war.
Als mein Lehrer, der Erzdruide Dhwetan Duir vor einigen Jahren meine Grundausbildung als beendet erklärte, und mich zum Abschluss in die Kunst der Gestaltwandlung einweihte, entschied ich das blühende Teldrassil mit seinen heiligen Hainen zu verlassen.
Lange wanderte ich auf Azeroth umher, bis ich schließlich in den Dämmerwald gelangte, den kleinen verborgenen See fand und an seinen Ufern meine beschiedene Hütte errichtete.
Hier fand ich auch meine Freunde Swar und Croy.
Swar war damals ein verlassener scheuer, und halb verhungerter Wolfswelpe.
Croy, den ich bisher nicht erwähnte, war auch damals bereits ein unverschämter, frecher Rabe, der alles stahl was nicht Niet-und Nagelfest war.
Irgendwann, entschloss er sich wohl, dass er sich nicht länger meinem Zorn aussetzen wollte, und wich mir nicht mehr von der Seite.
Es liegt wohl an meinem sanften Gemüht, dass ich dieses unverschämte Vogelvieh trotz allem in mein Herz schloss…
So in Gedanken versunken, warf ich einen flachen Stein in das Wasser und beobachtete wie er über den stillen klaren See hüpfte.
„Eins, Zwei, Drei, Vier, Fünf…“ Zählte ich leise und bewunderte wie die gebildeten Ringe grösser wurden und ineinander übergingen…
Ein weiteres Wunder der Natur dachte ich und ich wurde von einem tiefen inneren Frieden erfüllt.
Plötzlich spürte ich Swar’s feuchte Schnauze die mich anstupste. Ich legte ihm fragend meine Hand auf den schweren Wolfskopf. Er blickte mit seinen bernsteinernen Augen in die meinen die von derselben Farbe sind.
Ich schärfte meine Sinne, und da vernahm ich ebenfalls das leise Wimmern und Stöhnen welches aus meiner Hütte drang.
„Verdammt…ich habe den Fremden beinahe vergessen. Danke mein Freund… komm wir sollten nach ihm sehen.“ knurrte ich.
Meine Vergesslichkeit verfluchend stampfte ich leise zur Hüttentür und trat in mein beschiedenes Heim.
Meine Behausung besteht nur aus drei Räumen, den Koch-und Wohnbereich, ein kleines Schlafzimmer und einen winzigen Vorratsraum wo ich Lebensmittel und die fertigen Kräutertinkturen und Salben aufbewahre, und auch meine gesammelten Kräuter trockne.
Schwere Sackleinentücher trennten die Wohnräume.
Der junge Mann lag stöhnend auf einem einfachen Nachtlager, dass ich ihm bereitet hatte und wälzte sich ins einem unruhigen Schlaf von einer auf die andere Seite.
Ich erschrak als ich seine schweißnassen flachsfarbenen Haare sah und verfluchte mich erneut als ich entdeckte, dass die Verbände mit seinem hellrotem Blut befleckt waren.
Den jungen Fremden, schätzte ich an die siebzehn Sommer.
Er wandte sich in Krämpfen, das Klappern seiner Zähne liesen mir alle Haare zu Berge stehen.
Einige seiner frisch versorgten und vernähten Wunden schienen wieder aufgebrochen zu sein. Doch trotz allem hatte er Glück, denn die Verletzungen stammten lediglich von Waffen und rührten nicht von Bissen der wilden Worgen her. Dennoch quälten ihn offensichtlich starke Schmerzen und hohes Fieber peinigte seinen Körper.
„Ruhig Junge…“ zischte ich eindringlich und versuchte ihn zu beruhigen.
Trotz seiner Schwäche und Pein, oder gerade deswegen, waren seine Kräfte enorm. Um ihn vor sich selbst zu schützen, blieb mir nichts anderes übrig als den Jüngling mit einigen feinen Ranken ans Lager zu fesseln.
Leise sprach ich die dafür nötigen Worte und augenblicklich sprossen Ranken aus der Erde und schlangen sich sanft um den Körper des Verletzten.
Mit einiger Mühe gelang es mir, ihm einen schmerzlindernden, fiebersenkenden und beruhigenden Kräutersud einzuflößen.
Die Wirkung setzte erstaunlich schnell ein, sein Atem ging schon bald ruhiger und das Beben seines geschundenen Körpers ebnete ab.
Behutsam wickelte ich die Verbände um seine Glieder ab, wusch und versorgte die nässenden Wunden und legte ihm saubere Bandagen an.
Der Fremde stöhnte leise unter den Schmerzen die ich ihm bereiten musste denn einige der Nähte waren durch seine unkontrollierten Bewegungen zerrissen und ich war gezwungen die Wunden erneut zu vernähen.
Als ich fertig war legte ich eine dicke Decke über den Verletzten und musterte ihn besorgt.
Einige Nächte zuvor, streifte ich mit Swar durch den Dämmerwald um verschiedene, seltene Mondkräuter zu sammeln.
Wie üblich begleitete uns Croy mit lautem Gekrächze, aber als wir uns dem Flussufer näherten verstummte das Schreien des Raben plötzlich.
Vom Norden her hörte ich Kampfeslärm, klirren von Waffen und laute Schreie. Als ich mich vorsichtig der Quelle näherte, drang der Geruch von frischem Blut und Tod an meine empfindliche Nase, was mich natürlich zum lautem Nießen zwang.
Ich verfluchte meine Tölpelei, denn schnelle Schritte näherten sich mir.
Als ich das bedrohliche Knurren und Fauchen hörte, blieb mir nichts anderes übrig als meine Gestalt in die Löwenform zu wandeln, denn ohne Zweifel hatten es die wilden Worgen nun auf mich und Swar abgesehen.
Obwohl ich mich sehr wohl auch ohne Klingen und andere Waffen zu wehren weiß, hasse ich nichts mehr als das unsinnige vergießen von Blut, selbst wenn es sich um das Blut der Bestien handelt.
Swar ist da weniger zart besaitet als ich, mit wilden grollen stürzte er sich auf die angreifenden Worgen und zerfetzte einige von ihnen.
Mir wurde von bloßen Zuschauen übel.
Glücklicherweise ist es mir nicht möglich mich in meiner gewandelten Form zu übergeben. Es wäre bestimmt ein erbärmliches Bild gewesen und eine Schade für alle Druiden der Kralle.
Da nun mein eigenes Leben in Gefahr war, schob ich jeglichen Skrupel beiseite und stürzte mich ebenso wild, wenn auch etwas halbherziger als mein treuer Swar auf die verfluchten Bestien.
Der Kampf war heftig aber kurz, es dauerte nicht lange bis auch der letzte der wilden Worgen jaulend unter Swars Klauen, oder meinen eigenen, zusammenbrach und seine Todesqual in den Wald hinausschrie.
Als endlich die erwartete gespenstische Stille eintrat, wandelte ich meine Gestalt zurück. Dieses Gestaltengewandel bringt mich jedesmal zum Niessen, auch zwickt und kitzelt es fürchterlich.
Das Massaker welches Swar und ich veranstaltet hatten war nicht zu übersehen. Mir wurde erneut schrecklich übel, also wandte ich mich vom Kampfplatz ab und…. Nun ja darüber möchte ich lieber keine Details berichten.
In der Annahme, dass es keine Überlebenden gab, buddelte ich hastig ein Loch und schleuderte die toten hinein.
Swar hingegen leckte sich seinen Fang und sprang in den Fluss um das stinkende Worgenblut aus seinem seidigen Fell zu waschen.
Zu meinem Entsetzen entdeckte ich nicht nur tote Bestienbrut, sondern auch die verstümmelten Körper mehrere Menschen. Seufzend grub ich ein weiteres Grab, denn ich wollte sie nicht zusammen mit den Bestien in ein Loch legen.
Plötzlich hörte ich ein gequältes stöhnen hinter mir. Als ich mich hastig umdrehte blickte ich geradewegs in das Gesicht eines blutüberströmten jungen Mannes. Seine grünen Augen funkelten wild vor Zorn und der Rachedurst entstellte sein jugendliches Gesicht.
In seinen kräftigen Händen hielt er einen dicken Ast, doch bevor er ausholen konnte um mir den Schädel einzuschlagen, brach er zusammen. Ich seufzte erleichtert auf, denn verdammt nochmal es war wirklich knapp, und ich dankte stumm der Großen Göttin, dass sie mich wiedermal heil davonkam.
Als ich mich davon überzeugt hatte, dass der Junge nur bewusstlos war, band ich ihn auf Swars Rücken fest. Croy der alles, natürlich aus sicherer Entfernung beobachtet hatte, landete krächzend auf meiner Schulter. Gemeinsam gingen wir zu unserer Hütte zurück, wo ich den Fremden versorgte.
Ja nun lag der junge Fremde also auf einem Lager das ich ihm bereitet hatte, und sein Leben hing von meiner Heilkunst ab. Seufzend nahm ich die schmutzigen Verbände an mich. Die Bandagen würden willkommene Nahrung für mein Herdfeuer sein.
Da der Morgen ohnehin bereits langsam anbrach, entschloss ich mich das Kaminfeuer neu zu entfachen, und uns einen Topf Haferbrei zu kochen. Möglicherweise war der Fremde später in der Lage etwas Nahrung zu sich zu nehmen.
Wie es auch kommen mag, ich zumindest war verdammt hungrig und so begann ich mein beschiedenes Mal zu bereiten.
Just in dem Augenblick wo der Brei zu köcheln begann und ich ihn mit etwas Honig süßen und einigen Beeren vermengen wollte, vernahm ich ein leises stöhnen aus dem Schlafraum.
Rasch nahm ich den Topf vom Feuer, füllte einen Becher mit frischem Quellwasser und gab einige Tropfen Kräuterelixier hinein.
Mit dem Becher in der Hand, eilte ich zum Verletzten.
„Verstehst du mich…? Du musst langsam trinken…“ flüsterte ich leise in der Hoffnung, dass er meine Sprache verstand.
Als der Fremde schwach nickte viel mir ein Stein vom Herzen, denn zumindest konnten wir uns mit Worten verständigen und waren nicht auf Hände und Füße angewiesen, was ihm ohnehin schwergefallen wäre.
Ich stütze den Rücken des Jünglings und half ihm sich aufzusetzen, er trank gierig, zu gierig, nach einigen Schlucken hustete er schwer.
Ich war erleichtert dass er kein Blut spuckte, anscheinend war die Göttin gnädig und es bestand die Hoffnung, dass er genesen würde.
Nach meiner erneuten Mahnung, trank er langsamer doch jeder seiner Blicke lechzte nach mehr Flüssigkeit.
„Schmerz… alles tut weh…“ krächzte er schwach.
„Ich weiß Fremder, aber du musst den Becher leer trinken, dass Mittel welches ich Wasser beigemischt habe wird dir helfen zu gesunden und deine Schmerzen lindern. Außerdem lässt es dich ruhig schlafen.“ beruhigte ich ihn.
„Seid ihr ein Druide…Ich… ich danke euch für meine Rettung…Worgen…?“
Ich stutze kurz ehe ich die Worte sammelte um ihn zu antworten, denn ich stand ja in meiner menschlichen Gestalt vor ihm.
Nach kurzer Überlegung ging ich davon aus, dass mich meine bernsteinfarbenen Augen verraten hatten.
Ich bejate seine Frage erst schweigend.
„Mein Name ist Llew Llaw Arian, aber du kannst mich Llew nennen, wenn du es möchtest, und ja ich bin ein Worgen und stamme ursprünglich aus Gilneas. Aber du Junge musst dich nun ausschlafen, dann wird etwas gegessen und anschließend unterhalten wir uns. Einverstanden…?“
Der junge Fremde nickte schweigend.
„Danke Llew…“ hauchte er schwach ehe er wieder aufs Kissen sank und einschlief.
Ich wusste, dass seine Worte aufrichtig waren und von Herzen kamen, und dennoch brannten so viele Fragen in mir. Wer war der Junge? Woher kam er?
Aus seiner Kleidung, obwohl zerfetzt, konnte ich leicht schließen, dass er kein armer Bauer war. Was taten er und seine Freunde so tief im Dämmerwald. Suchten sie etwas oder Jemanden?
Waren diese anderen Menschen, die von den wilden Worgen zerfetzt wurden wirklich seine Freunde…?
Fragen über Fragen. Doch die mussten Warten. Der Fremde brauchte vor allem Ruhe um sich zu erholen.
Ich schlurfte nachdenklich zu meiner Kochstelle, der süße Duft des Haferbreis kitzelte in meiner Nase und….. brachte mich natürlich wieder mal zum Nießen, Doch dies kümmerte mich wenig den ich war hungrig, ja ich war verdammt hungrig und der Tag war noch jung.
Als ich mich an den Tisch setzte um mein Frühstück zu genießen, ging die Sonne über dem Dämmerwald auf und schenkte neue Hoffnung.
Hoffnung für den Fremden seine Verletzungen zu überstehen und Hoffnung für mich alles zu erfahren…
Nachdem ich satt war, und auch Croy seinen Anteil des Haferbreis verputzte, wie üblich bevorzugte er die saftigen Beeren und war nicht zufrieden mit denen ich ihm zuteilte beanspruchte er mit lautem Krächzen die restlichen ebenfalls für sich. Ich ließ ihn gewähren und sah nach dem Fremden. Obwohl er ruhig schlief schienen ihn Schmerzen zu quälen. Seine Augenwinkel waren feucht und die Lider verklebt, vorsichtig hob ich sie ein wenig an und gab ihm einige Tropfen in die smaragdgrünen Augen. Die Flüssigkeit würde sie vor dem trocken werden schützen. Als er das kurze Brennen der Kräutertinktur spürte stöhnte er leise auf.
Obwohl ich nicht allzu viel von anderen Menschen halte und ihre Gesellschaft so gut es eben ging meidete, mochte ich den jungen Fremden irgendwie. Wieso oder weshalb war mir selbst ein Rätsel. Ich vermutete, dass er zum Adel gehörte, und diese gesellen mit ihrem scheinheiligen Gehabe mochte ich noch weniger als den Rest der Zweibeiner Aber dennoch… was diesen Jungen anging…es war etwas Besonderes an ihm und außerdem benötigte er meine Hilfe.
Wie ich feststellte, würde er noch einige Stunden ruhig schlafen. Die Zeit wollte ich zum Kräutersammeln nutzen, außerdem zog es mich noch einmal zum Ort des Worgenangriffes hin. Ich wusste, das s ich dort etwas finden würde, oder erhoffte ich es mir nur…?
Wie dem auch war, meine Lebensmittelvorräte gingen langsam zur Neige, und da ich den Fremden noch einige Monde bei mir behalten würde, musste ich in den nächsten Tagen meine Vorräte aufstocken. Ja ich entschloss mich den Jungen nicht gehen zu lassen ehe seine Verletzungen geheilt waren und er wieder kräftig genug war um unter anderen Menschen zu überleben. Was mich wiederum dazu zwang Kräuter zu sammeln, zu trocknen, salben und Tinkturen herzustellen die ich in der Großen Stadt feilbieten konnte. Mir graute es bereits jetzt vor dem Getümmel in Sturmwind und all den Mauern um mich. Aber ich benötigte Münzen um Vorräte zu kaufen, und die Menschen in Sturmwind bezahlten gut für meine Waren.
Ich schärfte meine Kräutersichel und steckte einige gefaltete Leinenbeutel in meine Gürteltaschen, schnappte meinen Ebereschenstab und warf mir hastig den Umhang über. An der Tür erwartete mich bereits Swar. Seine bernsteinfarbenen Augen funkelten vor Begierde mit mir den Wald unsicher zu machen. Ich schüttelte jedoch den Kopf und wies ihn an beim Verletzten zu bleiben und ihn, falls nötig zu beschützen. Mein treuer Swar verstand mein Anliegen, trottete aber beleidigt und mit hochtragenden Kopf ins Schlafzimmer wo er sich vor dem Lager des Jungen hinlegte. Croy hingegen schien erleichtert zu sein das ich ihm nicht befahl mich zu begleiten und krächzte seinen Triumpf lauthals heraus.
Nun ja, sollte dieses Vogelvieh doch in der Hütte bleiben, da konnte er zumindest nicht allzu viel Unfug anstellen… hoffte ich zumindest. Leise um den Jungen nicht zu wecken schloss ich die Tür hinter mir.
Der Morgennebel empfing mich, die ersten Sonnenstrahlen ließen die Tautropfen in all ihrer Pracht glitzern und auch des Gezwitschers der Vögel begrüßte den noch kühlen Frühlingsmorgen. Ich zog den Duft des Waldes und die sauber gewaschene Luft in meine Lungen, wechselte in meine Hirschgestalt, was mich mal wieder zum Nießen brachte und eilte in Richtung des Flusses. Ich genoss die weiche Erde unter meinen Hufen. In meinem silberweißen Fell spielte der Wind, ich galoppierte schneller und genoss die Freiheit die mich umgab.
Unterwegs sammelte ich die ersten zarten Frühlingskräuter, sie waren voll von Leben und auch voller Heilkraft. Gegen Mittag erreichte ich schließlich den Fluss kurz darauf stand ich am Rande des Kampfplatzes. Das Gras war noch immer niedergetreten und an einigen Stellen von dunklen Blutflecken überzogen.
Der Geruch nach Blut und Tod lag noch immer in der Luft… und der Gestank brachte mich zum lauten Nießen. Ach wie ich meine empfindlichen Sinne manchmal hasse.
Ich gab meine Hirschgestalt auf und suchte das Gebiet nach irgendwelchen Hinweisen oder Spuren ab. Kurz bevor ich aufgeben wollte entdeckte ich unweit von mir ein helles Funkeln. Die Sonne schien auf irgendetwas metallisches, es war zu klein als dass es sich um eine weggeworfene Waffe handeln konnte. Im hohen Gras entdeckte ich dann eine goldene Kette, ich zog am Schmuckstück und staunte über den angebrachten Anhänger. Er war rund, flach, etwas grösser als eine Goldmünze aber dennoch kleiner als mein Handteller. Offenbar war er geprägt, doch ich konnte, bedingt durch die Blutflecke und feuchte Erde, nicht erkennen was es war. Nachdenklich ging ich zum Fluss und wusch das Medaillon sauber. Nun konnte ich die Prägung entziffern.
Die Worte; „Ein Zeichen für eure Treue und Mut die ihr mir erbracht habt Sar Leondar von Löwenfels“ war über dem Portrait des alten Königs von Sturmwind eingeprägt.
Dieser Name klang irgendwie vertraut und ich erinnerte mich an den Treuen Vasalen des alten Königs. Ich selbst war bei der Verleihung dieses Ehrenzeichens anwesend, damals an der Seite meines Lehrers und Erzdruiden Dhwetan Duir. Ich erinnerte mich auch an den Wein denn ich nach der Zeremonie zusammen mit dem Erzdruiden und den Geehrten trank. Und wie ich mich erinnerte…ich war damals sehr jung und durch diesen Anlass lernte ich das Leid nach übermäßigen Weingenuss kennen. Dieser Leondar von Löwenfels, war anders als die üblichen Adeligen, er konnte Scherzen, Fluchen und jammern wie ein Ackerbauer und dafür mochte ich ihn sehr. Nun verstand ich auch, weshalb ich den jungen Fremden mochte, er musste sein Sohn sein. Aber weshalb lag Leondars Medaillon blutbefleckt im Gras? Er war nicht unter den toten die ich begrub, und ich bezweifelte sehr, dass er von den Worgen verschleppt wurde. Also wahrscheinlich hat sein Sohn, der verletzt in meiner Hütte lag, die Kette getragen…. Aber weshalb?
Der Jagdschrei eines Falken riss mich aus den Gedanken. Als ich zum Himmel blickte, wo er seine Kreise zog, erkannte ich am Stand der Sonne, dass die dritte Nachmittagsstunde bereits angebrochen war. Ich verstaute das Schmuckstück in eine meiner Gürteltaschen und schulterte die mit frischen Kräuter gefüllten Leinenbeutel. Es war Zeit den Rückweg anzutreten, denn ich wollte noch Wundklee und Erdwurz für meinen Gast sammeln. Auch verschiedene Heilmoose wollte ich für ihn mitnehmen.
Die meisten Verletzungen des Jungen waren nicht sehr schwer, sie würden mit der Zeit von selbst heilen auch wenn Narben zurückbleiben würden. Seine Beinwunde jedoch bereitete mir Sorgen. Der glatte Schnitt war lang und ging bis auf die Knochen. Muskeln und eine Sehne war durchtrennt, zudem gelangte viel Schmutz in die Wunde. Ich konnte die Sehne zwar zusammennähen, aber der Fremde würde sicherlich ein Hinken als Andenken behalten. Wie schwer seine Behinderung sein würde, nun das würde von dem Masse beeinflusst wie er meine Anweisungen befolgen oder nicht befolgen würde.
Als ich mich zur fünften Nachmittagsstunde, in Gedanken versunken und mit gefüllten Kräutersäcken beladen, meiner Hütte näherte, vernahm ich lautes Kreischen, Fluchen und Knurren. Besorgt beschleunigte ich meine Schritte. Doch als ich die Tür öffnete lachte ich Tränen und hielt mir den Bauch vor Vergnügen über das Bild welches sich mir bot.
Der Junge saß aufrecht auf dem Lager, die Beine angezogen, seine Augen blickten klar und funkelten wütend. Er schimpfte, zeterte und fluchte aus Leibeskräften. Ein Grubenkämpfer würde aus Scham vor seiner exquisiten Wortwahl erröten.
Aber was mich am meisten erheiterte waren seine entgleisten Gesichtszüge. Es war leicht zu erkennen, dass ihn ein dringendes Bedürfnis heimsuchte. Offensichtlich musste er dringend dem Ruf der Natur folgen. Doch mein treuer Swar tigerte am Lager auf und ab, knurrte und fletschte bedrohlich seine langen Zähne. Geifer tropfte ihm von den Lefzen und seine herrlichen bernsteinfarbenen Augen schienen Funken zu sprühen.
Mein Wolf war eine wahrlich einschüchternde Erscheinung, und er ließ den verzweifelten Jüngling nicht vom Lager aufstehen. Croy flatterte wild in der Hütte umher und kommentierte die Situation auf seiner Art… mit lautem Gekreische.
„Llew, nimm das verdammte Wolfsvieh von mir. Ich muss dringend austreten aber diese Bestie lässt mich nicht aufstehen, geschweige denn die Bettstatt verlassen. Llew tu etwas sofort…!“ verlangte der Jüngling aufgebracht.
Ja da war er, der arrogante Ton in seiner Stimme, jener der vielen Adeligen zu eigen war und den ich so sehr verabscheute. Ich musterte den Jungen von Kopf bis Fuß. Es kümmerte mich nicht im Geringsten, dass er unter meinen Blicken erschauderte und seine Gesichtsfarbe langsam wich. Als er sich etwas Beruhigte entgegnete ich ihm gelassen. „Junge, zügle deine Zunge, du bist Gast in meinem Haus und hast nichts zu verlangen, geschweige denn mir etwas zu befehlen. Zweitens ist Swar, so heißt der Wolf nämlich, keine Bestie, sondern mein engster Freund. Und drittens hat er dir das Leben gerettet, wir beide taten es gemeinsam…“
Ein betretenes Schweigen erfüllte meine Hütte, selbst Croy gab sein Schreikonzert auf und lies sich auf einer Stuhllehne nieder. Die Gesichtszüge des Fremden änderten sich. Anstelle von Zorn trat Scham und Nachdenklichkeit und eine Spur von Demut. Ich erkannte, dass es kein leeres Minenspiel war, sondern dass er es aufrichtig meinte und seine Gefühle aus dem Herzen kamen. Ich gab Swar ein Zeichen und er zog sich zurück, legte sich entspannt hin ohne dass etwas seinen wachsamen Augen entging.
„Es… es tut mir leid Llew…bitte entschuldige, entschuldigt beide…aber ich muss wirklich dringend austreten“ stammelte der Junge verlegen und senkte seinen Blick.
Ich nickte dem verletzten zu und legte meine Kräutersäcke beiseite, trat an das Lager, und half dem jungen auf die Beine. Ich führte ihn, in eine kleine Senke unweit meiner Hütte.
Als er sein dringendes Geschäft erledigt hatte. Seufzte er erleichtert und entschuldigte sich abermals.
Ich konnte das Grinsen welches über mein Gesicht huschte nicht verbergen. Als er aufrichtig beteuerte, dass so ein Ausbruch nie wieder geschehen würde, schmunzelte ich und zerzauste sein flachsblondes Haar. „Ich verzeihe dir Fremder, aber nur wenn du mir deinen Namen verrätst.“
„Arthagan… Arthagan von Löwenfels werde ich genannt.“ offenbarte er mir und stützte sich schwer auf mich.
Nun war ich mich sicher dass der Junge der Sohn von Leondar war. Ich zog die Kette mit dem Medaillon aus meiner Gürteltasche, gab sie ihm in die Hand und schloss sie sanft. „Ich denke das gehört dir…“ murmelte ich. Arthagans grüne Augen füllten sich mit Tränen als er das Schmuckstück an sein Herz drückte. Diese Geste war mir wertvoller als leere Dankesworte.
Erst jetzt bemerkte ich, das s sich der Junge beinahe mit seinem ganzen Gewicht auf mich stützte. Er mied es sein Bein auch nur ein kleinwenig zu belasten, und dies schlug Alarm in mir. Als ich ihn beim nächsten Schritt dazu zwang schrie er vor Schmerz auf und Tränen flossen über seine Wangen. Ich befürchtete, dass sich die Wunde entzündet hatte oder gar schlimmeres.
„Arthagan, du wirst gleich etwas essen und danach will ich mir deine Beinwunde ansehen.“ bestimmte ich.
Als wir meine Hütte betraten setzte ich ihn auf einen der Stühle, wärmte den Rest des Haferbreies auf und stellte eine gefüllte Schale vor ihn. Offensichtlich sehr hungrig verschlang er das einfache Mal. Als ich ihm die Schale erneut füllte funkelten seine Augen.
Als er satt war, bettete ich ihn auf das Lager, wickelte den Verband ab und untersuchte seine Beinwunde.
Meine Befürchtungen bestätigten sich schnell. Wortlos kramte ich in eine meiner Kisten und brachte eine flache Holzschatulle zu Tage. Dieser Satz an feinen Heiler Instrumente erstand ich vor einigen Jahren bei den Zwergen von Eisenschmiede. Als ich die Schatulle öffnete erhaschte auch Arthagan einen Blick auf den Inhalt.
Er schluckte schwer als er die verschiedenen feinen Messer und andere Instrumente entdeckte und sein gesamter Körper zitterte vor Furcht. „Werde ich mein Bein verlieren…? fragt er leise und mit belegter Stimme. Es viel ihm schwer seine Zunge diese Worte Formen zu lassen.
„Nein Arthagan, aber es wird sehr weh tun…“ entgegnete ich so ruhig wie möglich und verfluchte innerlich meine zitternden Hände. Nach einigen Atemzügen hatte ich mich wieder unter Kontrolle. Ich dankte stumm meinem Lehrer, der mir so viel Selbstbeherrschung lehrte, und schob dem Jungen ein Beissholz zwischen seine Zähne.
Während meiner Behandlung stöhnte er und krallte seine Hände schmerzgepeinigt in das Kissen. Als ich die Eiterbeulen aufstach und die abgestorbenen Wundränder entfernte verlor er das Bewusstsein.
Ich war erleichtert, dass er den Schmerz nicht weiter spüren musste. Nachdem ich die Wunden gründlich ausräumte und säuberte vernähte sich sie wieder. Der kühlende und schmerzlindernde Umschlag welcher, brachte ihn wieder zu Bewusstsein. Ich war erleichtert, froh meine Arbeit beendet zu haben und gleichzeitig stolz auf meinen Patienten, der alles über sich ergehen lies.
„Puh… du hast wirklich nicht untertrieben Llew…verdammt nochmal ich habe noch nie solche Schmerzen ertragen müssen.“ murmelte er und eine tiefe Erleichterung zeigte sich auf seinem Gesicht als er den Kräuterumschlag auf seinem Bein entdeckte.
„Fertig…?“ fragte er vorsichtig. Als ich stumm nickte, strahlte er bis über beide Ohren.
Innerhalb der nächsten Tage erholte sich Arthagan zusehends. Auch seine nun saubere Beinwunde heilte langsam. Ich zog jeden Morgen nach dem Frühstück los um Kräuter zu sammeln.
Swar ließ ich bei Arthagan. Croy begleitete mich je nach seiner eigenen Lust und Laune, aber meistens blieb er bei den beiden.
Die drei wurden schnell Freunde, besonders die Beziehung zwischen Swar und Arthagan wuchs. Und Croy, nun ja er brachte den Jungen mit seinen Scherzen nicht selten an den Rand der Verzweiflung… und darüber hinaus.
Arthagan viel mir nicht zur Last, er machte sich so gut er, bedingt durch seine Verletzungen, konnte nützlich indem er Holz hackte und manchmal das Abendessen für uns kochte. Auch in meiner Hütte sorgte er für Sauberkeit und Ordnung. Dennoch würden noch etliche Monde verstreichen bis seine Verletzungen verheilt sein würden.
Als der nächste Vollmond hereinbrach, saßen wir gemeinsam Stillschweigend am Seeufer, genossen die laue Nacht und lauschten den vielfältigen Stimmen der Natur. Plötzlich begann Arthagan zu erzählen was ihn und die anderen Menschen in die Tiefe des Dämmerwaldes führte. Er berichtete auch über sich selbst, seine Familie und insbesondere von seinem Vater. Ich bedrängte ihn nicht und lauschte schweigend seiner Erzählung….